Safari Österreich, Dänemark 2016 – 91min.

Filmkritik

Afrika sehen und töten

Stefan Staub
Filmkritik: Stefan Staub

Nach Im Keller fährt Ulrich Seidl mit österreichischen Touristen auf Jagdurlaub. Und so viel anders als in den heimischen Untergeschossen sieht es dort gar nicht aus. Denn Seidls Methode ist längst zu einem unverkennbaren Markenzeichen geworden. Er blickt hinter die Fassade des Gewöhnlichen und entblösst die menschlichen Abgründe, die sich dahinter auftun. Mit dem Dokumentarfilm Safari hat er seinem Kosmos ein weiteres hintergründiges Kapitel hinzugefügt.

In seinem neusten Film begleitet Ulrich Seidl österreichische Touristen auf ihrem Safari-Urlaub in Namibia. Auf der Pirsch mit den Jägern, wir der Zuschauer selbst zum Jäger und nimmt deren Perspektive ein. Der Akt des Jagens wirkt dabei nüchtern, fast klinisch und läuft immer nach demselben Muster ab: Zuerst das Anschleichen, dann die Anspannung vor dem Schuss und am Ende die grosse Erleichterung, wenn das erlegte Tier gefunden wird. Stolz posieren die Schützen mit ihrer Trophäe fürs Fotoalbum. Und wieder einmal hat die menschliche Präzision über das wilde Tier triumphiert.

Seidl setzt bei der Inszenierung auf wohlbekannte Gestaltungsmittel. Den beobachtenden Jagd- und Schlachtungsszenen, setzt er seine gezielt inszenierten statischen Tableaus gegenüber. In ebenfalls teilweise inszenierten Zwiegesprächen unterhalten sich ein österreichisches Rentnerpaar, eine Familie im Jagdurlaub und deutsche Betreiber einer Jagdlodge über ihre Leidenschaft. Sie sprechen vom «Erlegen» oder «Erlösen» der Tiere, was nicht mit dem «Töten» im Schlachthaus vergleichbar sei. Dass das Schlachten und Häuten der Tiere aber durchaus dazu gehört, zeigt der Film in aller Deutlichkeit. Bloss, dass eben nicht die europäischen Jäger, sondern die afrikanischen Angestellten diesen Teil der Arbeit erledigen. Die Afrikaner, die in ihren ärmlichen Hütten an den Knochen der geschlachteten Tiere nagen, bleiben im Gegensatz zu den Jägern stumm; womit Seidl die kolonialen Machtstrukturen reflektiert, die diesem «Vergnügen» noch immer innewohnt.

Safari wirkt stellenweise wie eine Fortsetzung von Im Keller. Dies rührt daher, dass zwei Protagonisten aus dem letzten Film, auch hier wieder dabei sind. Ihre zur Schau gestellte Liebe zur Jagd hat Seidl teilweise auch zu diesem Film inspiriert. Es ist dabei eine schöne Pointe, dass sich ihr Jagdurlaub kaum von ihrem Alltag in Österreich unterscheidet. Für die Kamera und den Schnitt zeigen sich Seidls langjährige Weggefährten, Wolfgang Thaler und Christof Schertenleib verantwortlich, was viel zum unverkennbaren Look des Filmes beiträgt. Liebhaber von Tierdokumentationen werden bei Safari freilich nicht auf ihre Kosten kommen. Wer aber Seidls frühere Filme kennt und mag, wird auch die Qualitäten seines neusten Wurfs zu schätzen wissen.

10.04.2024

4

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Kommentare

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nicca23

vor 8 Jahren

Ulrich Seidl in Reinkultur. Ohne wertenden Off-Kommentar lässt der österreichische Skandal-Regisseur die Bilder sprechen. Und die haben es in sich! Es ist immer wieder erstaunlich, woher Seidl seine Protagonisten hat, die sich dann tatsächlich vor seiner Kamera seelisch derart entblössen, dass einem Angst und Bange, oftmals auch richtig übel wird ob der Abscheulichkeit der Menschheit. Selbstverständlich muss auch dieser Seidl-Film mit dem Wissen angeschaut werden, dass seine Dok-Filme vielfach inszenierte Szenen beinhalten. Bei "Safari" wirken die Protagonisten und deren Aussagen allerdings derart glaubhaft, dass es einem schwerfällt, deren Authentizität anzuzweifeln. Ob inszeniert oder nicht, "Safari" beleuchtet ein dunkles, grausames Hobby der privilegierten (meist) weissen Menschen und lässt einen nicht mehr so schnell los. Anschauen!Mehr anzeigen


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