The BFG Kanada, Grossbritannien, USA 2016 – 117min.

Filmkritik

The BFG

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Den Spagat zwischen Effekt-geladenem Blockbuster-Kino und großen historischen Dramen hat Steven Spielberg schon immer besser beherrscht als jeder andere Regisseur. Bisweilen gelang er ihm sogar innerhalb eines Jahres, so wie 1993 als er sowohl Jurassic Park als auch Schindler's List in die Kinos brachte. Zuletzt gewannen die geschichtlichen Stoffe wie War Horse, Lincoln oder Bridge of Spies dabei ein wenig die Oberhand, doch nun schlägt Spielberg mit The BFG sogar den Bogen zurück bis zu seinem 34 Jahre alten Welterfolg E.T.: wieder eine Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft, wieder ein Drehbuch von Melissa Mathison und wieder eine Premiere in Cannes.

Als Vorlage für The BFG diente Spielberg die gleichnamige Geschichte von Roald Dahl, die übrigens – passender Zufall – genau wie E.T. 1982 das Licht der Welt erblickte. In ihr entdeckt die zehnjährige Waise Sophie (Ruby Barnhill) eines Nachts vorm Fenster des Londoner Kinderheims einen Riesen (Oscar-Gewinner Mark Rylance in einer Motion Capture-Performance). Der bringt den Menschen ihre Träume, darf dabei aber natürlich nicht gesehen werden, und so entführt er das Mädchen prompt ins Land der Riesen. So unterschiedlich die beiden sind, so schnell freunden sie sich an – und entdecken dank des jeweils anderen ganz neue Seiten an sich. Doch weil in der Nachbarschaft noch sehr viel größere Riesen leben, die nichts lieber verspeisen als kleine Kinder, zieht bald Gefahr auf. Sophie und der BFG (= Big Friendly Giant) schmieden einen Plan, für den sich der Riese allerdings nicht nur den Menschen im Allgemeinen, sondern auch der Königin von England im Speziellen zeigen muss.

So sehr wie lange nicht konnte Spielberg für The BFG in die große Kiste der Kinotricks greifen, die heutzutage natürlich vor allem aus dem Computer kommen. Die Mischung aus Realfilm und CGI-Animation geht in diesem Fall nicht zu 100% auf, und sie hat weniger mit dem Fotorealismus von etwa The Jungle Book als mit der Comic-Künstlichkeit von The Adventures of Tintin zu tun. Dadurch geht The BFG ein wenig Charme ab, und dass der Film selten den ganz großen Spielberg-Zauber entfaltet, mag auch daran liegen, dass der Regisseur seine Geschichte dezidierter denn je für ein kleines Publikum erzählt.

Trotzdem stecken genug Witz und rührende Momente in Dahls Geschichte, Penelope Wilton hat einen wunderbaren Auftritt als Queen und Rylance brilliert unter seinem neuen Lieblingsregisseur nach Bridge of Spies erneut (Spielberg hat ihn prompt auch für seine beiden kommenden Filme verpflichtet). Obendrein liefert Komponist John Williams einen seiner schönsten Scores seit Jahren ab. Kein großer Wurf also für einen Ausnahme-Filmemacher wie Spielberg, aber durchaus ein netter, unterhaltsamer Film. Und dass er dafür ein letztes Mal mit seiner alten Freundin Mathison zusammenarbeiten konnte, die nicht lange nach Drehschluss dem Krebs erlag, macht The BFG obendrein zu einem besonderen Werk.

19.02.2024

3

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

8martin

vor 4 Jahren

Die drei Buchstaben BFG kennt in Großbritannien jedes Kind und bei deren Nennung huscht ein Lächeln über das Gesicht. Stephen Spielberg ist ein großartiger Film gelungen, bei dem wir leider in der deutschen Synchronisation viele von den herrlichen Eigennamen z.B. der Riesen nicht mitbekommen. Manche werden gottseidank unübersetzt übernommen, so z.B. Bonecruncher, Bloodbottler oder Maidmasher.
Der Plot ist nicht nur etwas für Kinder. Sophie (Newcomerin Ruby Barnhill) agiert frisch und aufgeweckt neben all den Riesenmonstern und gestandenen Persönlichkeiten, die sie allesamt glatt an die Wand spielt. Der liebste ist ihr aber BFG, der große, freundliche Riese. Beide fangen Träume und geben sie den Schlafenden ein, bedroht von einer Riesenmeute unfreundlicher Monsterriesen. Die werden am Ende von der Air Force entsorgt.
Höhepunkt ist ein Besuch des Riesen und Sophie bei der Queen (Penelope Wilton) im Buckingham Palast. Größenunterschiede und Standesunterschiede hinterlassen nachhaltige Eindrücke mit großem Schmunzelpotential. Detailgenaue Einzelheiten bereichern den Plot und spannungsgeladene Aktionen verdoppeln den Sehgenuss. Und immer wieder ereignen sich unvorhergesehene Engpässe, die glatt überwunden werden und die Spannung heben.
Ein Genuss für Alt und Jung. Für die pubertierenden unter den Zuschauern entweichen den Akteuren Flatulenzen aufgrund von Mineralwasser, in dem die Bläschen von oben nach unten steigen – natürlich nicht bei der Queen, die BFG stets mit Ihrer Majonäse anspricht. Herrlich, ein rundum Wohlfühlfilm, den ich mir am Ende gleich noch einmal reingezogen habe.Mehr anzeigen


ChristianHurni

vor 8 Jahren

Schön gemachter Film, jedoch ein bisschen langfädig. Der "Jö"-Effekt des Mädchens (wie z. B. im neuen Heidifilm) bleibt aus, vielleicht deshalb, weil Sophie so altklug daher kommt. Gut umgesetzte Animation und passende Musik. Der Film kommt nicht an die früheren Spielberg-Klassiker wie E. T. oder The Goonies heran.Mehr anzeigen


thomasmarkus

vor 8 Jahren

Wunderbar poetisch - und im nachhinein ein Glücksfall, dass ich keinen passenden Abspieltermin mit synchroniosierter Fassung fand...


Mehr Filmkritiken

Gladiator II

Red One - Alarmstufe Weihnachten

Venom: The Last Dance

Typisch Emil