CH.FILM

z'Bärg Deutschland, Schweiz 2015 – 85min.

Filmkritik

Die Idylle hat ihre Tücken

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Zwei Städter, Sarah und Sämi, wagen das Abenteuer Alp während eines Sommers. Sie hüten Kühe, Geissen, Schweine und käsen auf einem Maiensäss im Berner Oberland. Die Filmerin Julia Tal hat sie begleitet, ihre Arbeit, ihre Probleme, aber auch ihre schönen Momente in der «Idylle» auf 1500 Metern dokumentiert.

Nach dem frisch-fröhlichen Motto «Wir packen’s an» wagen sich die beiden Städter Sarah Jörg und Samuel «Sämi» Winter an das Abenteuer Alpwirtschaft. Die beiden Sennen auf Zeit haben sich in Kursen auf diese Arbeit vorbereitet. Nun ist es soweit. Die beiden ziehen Anfang Juni in ein Maiensäss im Berner Diemtigtal ein. Auf gut 1500 Metern Höhe übernehmen sie vom Besitzer Kühe, Geissen, Schafe und Hühner – einen Sommer lang. Man macht Bekanntschaft mit den Kühen Samina, Dominga, Melissa, Bianco oder Anna, der Geiss Fina und anderen Tieren. Manche Vierbeiner stellen sich bockig an, lassen sich nicht so einfach herumdirigieren. Allmählich, mit viel Mühe, Geduld und Einsatz kriegen Sämi und Sarah die Wirtschaft in den Griff. Es sind oft Kleinigkeiten, die zusetzen. Als Anna eine Fehlgeburt erleidet, werden die beiden ganz schön herausgefordert. Was tun? Kann man trotzdem die Milch zum Käsen gebrauchen. Woher kommen die schwarzen Flecken im Käselaib? Nachbarn von einer anderen Alp trösten die beiden gebeutelten «Sennen», die sich auch mal nerven. Denn so schön die Idylle hoch «z‘Bärg» bisweilen auch ist, birgt sie doch trügerische Momente und Schattenseiten. Das Liebespaar aus Luzern, von dem man im Film wenig Privates erfährt, hält durch. Sie sind beide offensichtlich in der Sozialarbeit tätig und haben sich eine Auszeit genommen.

Die Zürcherin Julia Tal gründete zusammen mit Lisa Blatter und Jan Gassmann die Produktionsfirma 2:1 Film und war ausführende Produzentin beim Episodenfilm Heimatland. Mit Z‘Bärg produzierte sie ihren ersten eigenen abendfüllenden Film, bei dem sie auch für Regie und Buch verantwortlich war. Sie hat die beiden «Amateur»-Älpler von Juni bis September mehr oder weniger kontinuierlich begleitet. Natürlich gibt es Informationslücken, etwa was Annas Abort betrifft (dies ist offenbar kein seltener Vorfall auf einer Alp), auch konnte der Käse «gerettet» werden, versicherte die Filmautorin. Julia Tal blieb einfach nahe dran am Geschehen. Dass diese vermeintliche Idylle viel Kraft und Einsatz bis zur Erschöpfung forderte, zeigt ihr Dokumentarfilm ebenso wie die leisen Momente des Lebens abseits der gängigen Zivilisation. Sie konzentrierte sich ganz auf den Alp-Alltag, enthielt sich jeglichen Kommentars oder ergänzenden Texten – und das ist gut so. Ein schlichter schöner Film, entschleunigt und bedächtig im Rhythmus wie das harte Leben auf diesem Maiensäss.

11.01.2016

4

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