CH.FILM

Clara Haskil - Der Zauber der Interpretation Schweiz 2017 – 70min.

Filmkritik

Zwischen Zerbrechlichkeit und Perfektion

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Die Doku Clara Haskil – Der Zauber der Interpretation widmet sich auf behutsame und umfassende Weise einer der größten Klaviervirtuosinnen des 20. Jahrhunderts.

Die 1895 in Bukarest geborene Musikerin Clara Haskil galt schon mit drei Jahren als Wunderkind am Klavier. Mit sieben Jahren ließ sie sich in Paris und Wien ausbilden. Mit 15 begab sie sich bereits auf ausgedehnte Konzerttourneen, unter anderem durch die Schweiz. Dennoch dauerte es lange, bis Haskil von ihren Einnahmen leben konnte. Die Doku befasst sich ausführlich mit Leben und Werk der Musikerin. Und widmet sich auch den Schattenseiten ihres Daseins, wie etwa den immer wieder auftretenden gesundheitlichen Problemen.

Clara Haskil ist eine Gemeinschaftsarbeit der drei Regisseure Pascal Cling, Pierre-Olivier François und Prune Jaillet, die bisher vor allem Dokumentationen realisierten. Für ihren Film über Haskil konnten die Filmemacher auch auf bisher unveröffentlichtes Material zurückgreifen. Darunter viele seltene Schwarz-Weiß-Fotografien sowie einige Klaviereinspielungen (zum Beispiel von Robert Schumanns „Kinderszenen“).

Die Regisseure Cling, François und Jaillet arbeiten mit viel Liebe zum Detail und Sorgfalt die komplexe Persönlichkeit der Pianistin heraus. Haskil führt dabei gewissermaßen selbst durch den Film, da ihre Briefe den inhaltlichen roten Faden bilden und das Werk zusammenhalten. Der weiblichen Off-Stimme, die die Briefe vorliest, gelingt es, dem Zuschauer Haskils vielschichtiges Wesen näher zu bringen – durch eine fein gesetzte, nicht übertrieben sentimentale Betonung und einen osteuropäischen Akzent, der nur hier und da angenehm zurückhaltend durchschimmert.

Aus Haskils Zeilen spricht oft eine gewaltige Schwermut. Kein Wunder, wurde sie zeitlebens immer wieder von Krankheiten – unter anderem Skoliose und ein Gehirntumor – zurückgeworfen. Außerdem schreibt Haskil sehr offen noch über etwas anderes, das ihr den (beruflichen) Alltag erschwerte: ihr Hang zur Perfektion. Bestätigt wird dies im Film unter anderem durch eine frühere Freundin, die davon berichtet, wie weit Haskils Perfektionssucht ging. Und der damit verbundene Versuch, die Klavierstücke der großen Meister in ihren Konzerten um jeden Preis fehlerlos darzubieten.

Dies alles ermöglicht einen umfassenden Einblick in Haskils Psyche und offenbart einige bisher wenig bekannte Charakterzüge. Ergänzt werden die einfühlsam vorgetragenen Briefe und die erhellenden Interviews mit Musikern und ehemaligen Weggefährten von großartigen Schwarz-Weiß-Bildern. Sie zeigen Haskil in verschiedenen Lebensphasen an den unterschiedlichsten Orten. Der Höhepunkt des Films sind die originalen Klaviereinspielungen, die beispielhaft Haskils filigrane, meisterhafte Fähigkeiten am Klavier verdeutlichen.



25.04.2018

4

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