CH.FILM

Das Kongo Tribunal Deutschland, Schweiz 2017 – 100min.

Filmkritik

Ein außergewöhnliches Kunstprojekt

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Das Kongo-Tribunal befasst sich mit den Auswirkungen des Bürgerkriegs im Ostkongo. Anhand zweier fiktiver Tribunale veranschaulicht er die komplizierten Zusammenhänge. Ein wichtiges, ambitioniertes filmisches Experiment, das Theaterkunst, Politik und journalistischen Aufklärungswillen zusammenbringt.

Der seit nunmehr 20 Jahren tobende, bewaffnete Konflikt im Ostkongo hat bereits mehr als sechs Millionen Menschen das Leben gekostet. Beobachter und Experten sehen in dem Konflikt nicht nur einen Kampf um die dortigen Rohstoffe. Ihrer Ansicht nach geht es um einen zentralen Konflikt der Globalisierung. Anhand zweier Tribunale vor Ort im Ostkongo und in Berlin erklärt der Film die Gründe und Hintergründe.

Der in Bern geborene Theaterregisseur Milo Rau ist schon länger für seine Aufsehen erregenden Projekte bekannt. Auf der Theaterbühne befasste er sich u.a. bereits mit der Erschießung des rumänischen Diktators Ceausescu und dem norwegischen Terroristen Anders Breivik. Seine Uraufführung erlebte Das Kongo Tribunal in diesem Jahr auf dem Filmfest in Locarno.Milo Rau inszenierte seine beiden Schauprozesse in Bukavu und Berlin unter großem Aufwand. Allein 60 Zeugen und Experten versammelte er, um die verflochtenen Zusammenhänge zu verdeutlichen. Und für den Zuschauer begreifbar zu machen. Denn schon lange geht es in dem Krieg nicht mehr ausschließlich um Rohstoffe und längst ist die Zahl der Kriegsparteien schier unüberschaubar geworden. Es mischen u.a. die Regierung, die Opposition, regionale Milizen, das Militär und nationale wie internationale Unternehmen mit.

Das Kongo-Tribunal zeigt: Neokoloniale Prozesse sind im Kongo im Gange, die über die politische Vorherrschaft in Afrika entscheiden könnten. Und möglicherweise zur Folge haben, dass künftig weit mehr afrikanische Staaten von Ausbeutung und Willkür betroffen sind. Zudem lenkt der Film die Aufmerksamkeit auf einen jahrzehntelangen Krieg, der von westlichen Medien in den letzten Jahren eher vernachlässigt wurde. Allein dieser Umstand rechtfertigt die Umsetzung dieses gewaltigen, ambitionierten Kunstprojekts.

Rau bemühte sich bei den Prozessen um unparteiische Darstellung, Objektivität und allumfassende Beleuchtung, was ihm gelingt. Denn zu Wort kommen „echte“ Zeugen aller Akteure: Anwohner, Regierungsvertreter, Politiker, Rebellen, Menschenrechtsaktivisten und Vertreter der Minenkonzerne. Der Film wechselt zwischen den Tribunalen im Kongo und Berlin hin und her, zwischendurch veranschaulichen Interviews mit betroffenen Bewohnern vor Ort die Lebenssituationen der Menschen. Das Kongo Tribunal ist ein für den Zuschauer zwar herausforderndes, aber jederzeit vielschichtiges, erhellendes, aber auch sprachlos machendes Werk.

27.02.2024

5

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Filmenthusiast

vor 6 Jahren

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