Die göttliche Ordnung Schweiz 2016 – 96min.
Filmkritik
Wenn Frauen die Hosen anziehen
In der Schweiz begehrten die Frauen erst spät gegen die männliche Polit-Vormundschaft auf. 1971 forderten sie das Frauenstimmrecht ein. Petra Volpe hat das historische Thema in einen beherzten Spielfilm verpackt – stimmig, engagiert, aber alles andere denn bierernst. «Die göttliche Ordnung» wird nachhaltig erschüttert, Frauen triumphieren – an der Spitze die Schauspielerinnen Marie Leuenberger, Sibylle Brunner, Marta Zoffoli, Rachel Braunschweig und Bettina Stucky.
Ihr Schicksal scheint vorgezeichnet: Haus und Herd, Mann und Familie. Man schreibt das Jahr 1971, und Nora Ruckstuhl (Marie Leuenberger) scheint mit ihrem Dasein als brave Ehefrau in einem Appenzeller Dorf zufrieden zu sein. Ihr Mann Hans (Max Simonischek, Der Verdingbub), ein angesehener Handwerker, meint es gut mit ihr, verweigert ihr aber eine gewisse Freiheit und Selbstbestimmung. So stösst sie auf wenig Verständnis, als sie ihn bittet, wieder arbeiten zu dürfen. Hans, der Herr im Haus, sieht das Wohl der Söhne und überhaupt des Haushalts gefährdet. Er verweigert ihr also das Recht auf Arbeit – ausserhalb des Hauses. Sie ist vom guten Willen ihres Mannes abhängig – privat wie gesellschaftlich.
Als Hanna (Ella Rumpf), Tochter ihrer Schwägerin weggesperrt wird, weil sie nicht den Normen entspricht und sich eigene Freiheiten nimmt, muckt Nora auf. Die Gelegenheit bietet sich, als ihr Mann im WK weilt und Vroni (Sibylle Brunner), die ehemalige «Bären»-Wirtin, Nora animiert, sich aktiv für das Frauenstimmrecht einzusetzen. So wagt sie sich aus der häuslichen Enge und geht in die Offensive. Verbündete für die Frauenstimmrechts-Kampagne finden die beiden in Graziella (Marta Zoffoli), einer geschiedenen Italienerin, die den «Bären» übernimmt, und Schwägerin Theresa (Rachel Braunschweig). Man wagt sich gar nach Zürich, wo eine Demo fürs Frauenstimmrecht stattfindet. Nebenbei erfahren die Gefährtinnen in einem Workshop mehr über das Frausein und die unterdrückte Lust. Prompt werden die kecken Weibsbilder aus Appenzell von Mannsbildern aufs Korn genommen, bedrängt und (fast) eingeschüchtert. Hans, der ahnungslose Heimkehrer, fällt schier aus allen Wolken ob des Engagements seiner Frau. Der Haussegen hängt schief.
Petra Volpe, Regisseurin und Autorin, die sich bereits mit dem Spielfilm Traumland hervorgetan und für das Drehbuch von Heidi verdient gemacht hat, entwickelte seit 2011 die Idee zum Sturz der «Göttlichen Ordnung». Ein altes Thema, aber bei vielen Eidgenossen und jungen Stimmbürgern längst ad acta gelegt oder vergessen und nun fürs Kino beherzt wiederbelebt. Ein später Schritt zur Emanzipation: Am 7. Februar 1971 wurde das Frauenstimmrecht in der Schweiz tatsächlich angenommen – von Männern!
Gedreht hat Petra Volpe ihren Spielfilm hauptsächlich in Trogen, AR, aber auch in Herisau, Auenstein, im Kanton Aargau und in Zürich. Dass dies sprachlich nicht astrein klingt, verzeiht man gern. Mit 3,3 Millionen Franken gehört der Film zu den eher günstigen Produktionen und wurde komplett in der Schweiz finanziert. Er gewann an den Solothurner Filmtagen 2017 den Prix de Soleure. Wie schon der Titel «Die göttliche Ordnung» andeutet, findet man in Volpes historisch verankertem Spielfilm auch ironische und humorvolle Zwischentöne. Es gelingt ihr spielerisch, ein ernstes Thema nicht bierernst abzuhandeln, sondern stimmig und menschlich zu erzählen. Keine Schulstunde, sondern eine liebenswürdige, aber einsichtige Rückbesinnung und Erinnerungsarbeit.
Dein Film-Rating
Kommentare
Etwas arg zahm, konventionell und niedlich, aber die Besetzung, angeführt von Marie Leuenberger, liefert überzeugende Arbeit, den Kampf um das Schweizer Frauenstimmrecht auf die Leinwand zu bringen.
Nicht ganz unbefangen fing ich an den Film zu schauen, wahrscheinlich aus diesem Grund hat er mich so überrascht. Überhaupt nicht übertrieben feministisch, sondern richtig spannend erzählte Geschichte.
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