Fortuna Frankreich, Schweiz 2018 – 106min.
Filmkritik
O Fortuna in Schwarz-Weiss
Das 14-jährige afrikanische Mädchen Fortuna strandet ohne ihre Eltern in Lampedusa und kommt schliesslich in einem Schweizer Hospiz unter. Germinal Roaux lässt in seinem in strengem Schwarz-Weiss gehaltenen Flüchtlingsdrama Welten aufeinanderprallen.
Seit Fortuna in Lampedusa angekommen ist, hat sie keine Nachrichten ihrer Eltern erreicht, und so wird ihr in einem katholischen Hospiz auf über 2000 Metern Höhe übergangsweise Unterschlupf geboten, bis ihr Aufenthaltsrecht geklärt wird. Im Umfeld katholischer Brüder verliebt sich das Mädchen in den 26-jährigen Flüchtling Kabir – doch ihre folgenreiche Verbindung wird von den beiden geheim gehalten. Als die Polizei unangekündigt im Hospiz auftaucht, taucht Kabir unter und Fortunas Leiden nimmt immer grössere Ausmasse an: Erst hat sie alles verloren, was ihr lieb war und dann wird sie zurückgelassen – und das trotz oder gerade wegen ihrer Schwangerschaft, die Kabir hinter Gitter bringen würde.
Das in Schwarz-Weiss gehaltene Flüchtlingsdrama, welches auf der Simplon-Passhöhe spielt, und dessen Drehbuch anhand den Aussagen jugendlicher Flüchtlinge geschrieben wurde, beleuchtet ein fiktives, aber realitätsnahes Schicksal. Das Drama des Regisseurs Germinal Roaux, der während 10 Jahren für das Magazin «Hebdo» als Fotograf gearbeitet hat, besticht mit einigen expressiven Bildern, führt anhand eines Einzelfalls Leid und Traumata von Flüchtlingen vor Augen und zeigt gekoppelt damit aber auch aus dem Off vorgetragene Gefühle einer 14-Jährigen, die sich weder ihren Betreuern, noch dem Publikum erschliessen.
Fortuna ist verschwiegen, nimmt keinerlei Hilfe an und weigert sich mit aller Kraft dagegen, den Ort ihrer Zuflucht zu verlassen, um ein neues Leben zu beginnen, in dem ihr schulische Bildung garantiert wäre – denn sie liebt Kabir, der die Naivität des jungen Mädchens wohl ohne den Hauch eines schlechten Gewissens ausnutzt, ihr Schuld an seinem Verbrechen gibt und es schliesslich unvermittelt verlässt. Das Kind, welches Fortuna unter ihrem Herzen trägt, möchte sie aber dennoch behalten, und damit entfachen zahlreiche moralische Dilemmata.
Vor einer eindrücklichen, verschneiten, aber auch kargen Naturkulisse und zum Teil etwas gar langen Einstellungen propagiert der vor christlicher Symbolik und Ikonographie nur so strotzende Film Nächstenliebe und Selbstbestimmung, bringt dabei aber auch haarsträubende Gedankengänge an die Oberfläche. Beispielsweise wenn es heisst, dass ein den eigenen Misshandler idealisierendes Kind ein Kind gebären solle, gerade weil sie sonst nichts auf der Welt habe, und dies ihr Wille sei; Ein Wille, der sie den gesamten Film hindurch eine Chance nach der anderen verstreichen lässt. Der Vorsteher des Ordens (Bruno Ganz) schlussfolgert dann auch, dass manchmal das aufgezwungene Gute das Böse sei – des Öfteren mag das so stimmen. Im Falle Fortunas dürfte aber bestimmt nicht jeder mit dieser Idee warm werden. Reichlich Diskussionsstoff liefert der Film mit seiner aufwühlenden Thematik aber auf jeden Fall.
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