Glow Schweiz 2017 – 99min.
Filmkritik
Aufstieg und Verlöschen eines Sterns
Sie war Prostituierte und wurde zur Pop- und Mode-Ikone: Lady Shiva alias Irene Staub belebte die Zürcher Szene Ende der Sechzigerjahre. Die Filmerin Gabriel Baur hat sich gut 40 Jahre danach auf ihre Spuren begeben. Es entstand ein prickelndes packendes Porträt und Zeitdokument.
Es ist noch nicht lange her, dass sie aus der Versenkung geholt und auf ein Plakat gehievt wurde: Lady Shiva wurde als Ikone der Postmoderne angepriesen – für eine Ausstellung 2012 im Landesmuseum, Zürich. Irene Staub war eine selbstbewusste Dirne Ende der 68erJahre, ging im Zürcher Niederdorf auf den Strich und avancierte zur Pop- und Mode-Ikone. Sie bot sich an und wurde angeboten als faszinierende Underground-Frau. Grell, krass und rigoros ging Irene Staub (Jahrgang 1952) ihren Rotlicht- und Showweg. Sie stand Walter Pfeiffer, über den aktuell der höchst sehenswerte Dokumentarfilm Walter Pfeiffer – Chasing Beauty in den Kinos zu sehen ist, Model, kam «Rolling Stones» Mick Jagger nahe, tingelte durch die Nächte in Berlin und Rom und wurde eine Berühmtheit, mit der sich Zürich und andere schwer taten. Sie wollte hoch hinaus, stellte sich Federico Fellini vor. Der Filmmeister erkannte in der Muse und Model-Lady zwar das Feuer, aber auch Zeichen des Erlöschens. Er soll anderen gegenüber bemerkt haben, dass eine Frau, die so glüht, in ein, zwei Jahren verlöschen würde. Das Glühen in ihr zehrte sie auf. Sie starb so mysteriös, wie sie gekommen war – bei einem Motorradunfall 1989 in Thailand, 37 Jahre jung.
Glow hat denn auch die Filmerin Gabriel Baur ihren Dokumentarfilm überschrieben. Sie schuf nicht nur ein glühendes, modisch wie menschliches Porträt dieser aussergewöhnlichen Erscheinung und Diva, sondern auch ein Zeitbild der späten Sechziger- bis Achtzigerjahre. Dazu tragen neben vielen Dokumentaraufnahmen vor allem Statements von Leuten bei, die mit Lady Shiva in Berührung kamen, sie kannten, halfen und zusehen mussten, wie sie Halt verlor, sich in Drogen flüchtete. Die Modepionierin Ursula Rodel etwa, die Irene Staub nicht von ihrem «Lady Shiva»-Trip herunterholen, ihr die Zweifel und Einsamkeit nehmen konnte. Lady Shiva bleibt ein Mysterium, die auf der Überholspur lebte, sich verlor und aufrieb. Sie ging an die Grenze ihrer Möglichkeiten, weckte Sehnsüchte, die sie selber nicht erfüllen konnte. Sie stürzte ab ohne Sicherheitsseil. Gabriel Baur beschreibt fundiert, bewegend und berührend die Odyssee einer Frau, die Grenzen sprengte, an ihrem Erfolg und an sich selbst zerbrach.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung