Jane USA 2017 – 90min.
Filmkritik
Die Frau, die mit den Affen spricht
Brett Morgen hat einen packenden Dokumentarfilm über die Primatenforscherin Jane Goodall realisiert.
Als Jane Goodall 1960 in das Gebiet des heutigen Nationalparks von Gombe, Tansania, reist, betritt sie ein Paradies. 26-jährig ist die Britin damals. Keine Forscherin, sondern eine zur Sekretärin ausgebildete junge Frau, die seit ihrer Kindheit davon träumt, in Afrika mit Tieren zu arbeiten. Den aussergewöhnlichen Job vermittelt hat Goodall der kenianische Paläoanthropologe Louis Leakey, der durch die Beobachtung von Schimpansen in freier Wildbahn Rückschlüsse auf die Stammesgeschichte der Menschen zu ziehen hofft; Goodall kommt in die Kränze, weil sie das Projekt unbefangen von wissenschaftlichem Ballast angehen kann. So zumindest wird es von Goodall in Jane selber erzählt, die heute 84-Jährige figuriert im Dokumentarfilm, den der Amerikaner Brett Morgen über sie realisierte, als Erzählerin, steht in einem Interview nicht nur Rede und Antwort, sondern liest auch aus Tagebüchern, Briefen und Texten vor.
Das filmische Material von Jane stammt aus dem Archiv von „National Geographic“. Die Zeitschrift hat Goodall in den 1960er-Jahren den Tier- und Naturfotografen Hugo van Lawick hinterhergeschickt. Der hat seine spätere Ehefrau bei der Arbeit meist auf 16mm und ohne Ton gefilmt, Morgen hat das bisher kaum je gezeigte, sensationelle Material geschickt montiert und intensiv nachbearbeitet. Und so erzählt Jane nun, wie Goodall ihre Schimpansen monatelang beobachtete und fütterte, bis sie sich ihnen nähern und sie schliesslich auch berühren konnte. Tatsächlich tätigte sie in Gombe einige bahnbrechende Erkenntnisse, wie dass Affen Werkzeuge benutzen, musste zugleich aber auch bittere Erfahrungen machen: So bescherte der Kontakt mit Menschen ihren Affen auch Krankheiten wie Polio.
Goodalls Leben lose paraphrasierend erzählt Jane in der Folge aber auch noch eine andere Geschichte. Es ist die Geschichte einer Frau, die ihrer „Berufung“ folgend sich sozusagen selbstverständlich emanzipierte, auch wenn sie dies nicht wenig kostete. Etwa ihre Ehe, die nach einigen Jahren scheitert, weil die beruflichen Interessen van Lawicks ihre Wege auseinanderdriften lassen; auch ihre Beziehung zu ihrem Sohn, der weitgehend bei seinen Grosseltern aufwächst. Doch obwohl Goodalls Bedauern darüber durchschimmert, scheint sie nichts zu bereuen. Und so ist Jane, obwohl der Soundtrack von Phil Glass bisweilen störend pompös daherkommt und Goodalls Erinnerungen etwas verklärt zu sein scheinen, ein beeindruckender Film über eine aussergewöhnlich starke Frau.
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