Lola Pater Frankreich 2017 – 95min.

Filmkritik

Gnade kennt kein Geschlecht

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Wie reagiert ein erwachsener Sohn, wenn er erfährt, dass sein Vater eine Frau ist? Der algerisch-französische Regisseur Nadir Moknèche konfrontiert den erwachsenen Zino mit Lola, einer Tanzlehrerin, die sich als sein Vater ausgibt. Eine sensible, tragikomische Liebesgeschichte – und ein Paradestück für Altstar Fanny Ardant.

Er steht an ihrem Totenbett und sinniert. Nach der Beerdigung seiner Mutter fährt Zino Chekib (Tewfik Jallab) mit seinem Motorrad ans Meer und fasst einen Entschluss. Er will seinen Vater ausfindig machen, der sich vor zwanzig Jahren aus dem Staub gemacht hat. Zino, 27 Jahre alt, stimmt Klaviere in Paris und will es jetzt wissen. Irgendwo im Süden Frankreichs stösst er auf eine Adresse und den Namen Chekib. Er begegnet einer Frau, Lola, die Bauchtanz unterrichtet und Chekib heisst. Hier gäbe es keinen Farid Chekib, weist sie ihn ab. Doch sie und wir Zuschauer wissen es besser: Lola ist Farid und hat sich nach der Trennung von ihrer Familie in eine Frau umgewandelt. Er fährt zurück nach Paris, und sie reist ihrem Sohn nach, stellt ihm nach. Endlich (nach 41 Filmminuten) hat sie die Kraft, ihm zu gestehen, dass sie sein Vater ist. Zino ist schockiert und will es nicht akzeptieren. Er zeigt sich unversöhnlich und weist sie schroff ab.

Nadir Moknèche, Buch und Regie, spielt quasi auf zwei Klavieren, hier die Tänzerin Lola, die einst ein Mann war, und dort Zino, der sich verraten und im Stich gelassen fühlt. Diese beiden Ebenen verwebt der Regisseur algerisch-französischer Abstammung je länger je enger. Dazu mischt er arabischen Touch und Zigeunerblut bei. Vermittlerin der beiden gekränkten Seelen ist Rachida (Nadia Kaci), Zinos Tante: Sie versucht, Brücken zu schlagen in diesem schier unversöhnlichen Konflikt. Kristallisationspunkt ist Lola/Farid, der Mann, der seinen Körper als Gefängnis empfand und daraus ausgebrochen ist. Als Frau fand er (Farid) seine Erfüllung und sie (Lola) hofft auf Gnade, Verständnis und Liebe ihres Sohnes.

Auf sie ist das Beziehungsdrama zugeschnitten, auf die grosse Schauspielerin Fanny Ardant, die unter der Regie von François Truffaut (La femme d'à coté) – mit dem sie bis zu seinem Tod liiert war – unter der Regie von Volker Schlöndorff (Eine Liebe von Swann), von Ettore Scola (La famiglia) oder Franco Zeffirelli (Callas Forever) gearbeitet hatte. Die Rolle als Lola wurde zum Glanzstück der 69-Jährigen. Ihre Präsenz, ihre Darstellung ist faszinierend. Gleichwohl, man kann sich nur schwer vorstellen, wie aus dem Mann Farid diese Lola werden konnte.

18.06.2018

4

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