Menashe USA 2017 – 83min.

Filmkritik

Von Vaterschaft und Verantwortung

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Schauplatz Borough Park, Brooklyn. Regisseur und Autor Joshua Z. Weinstein tauchte tief ins Leben chassidischer Juden ein. Sein Spielfilm schildert so authentisch wie möglich, wie ein Mann namens Menashe, dessen Frau verstorben ist, um das Sorgerecht seines Sohnes kämpft. Ein kultureller Einblick mit viel Menschenwärme.

Nein, soweit bekannt, ist der New Yorker Filmer Joshua Z. Weinstein nicht mit dem einst mächtigen Hollywood-Guru Harvey Weinstein verwandt, der ins schiefe Licht geraten ist und wegen angeblicher Sexübergriffe nicht nur von der Filmwelt geächtet wird. Joshua Z. Weinstein lebt in New York, ist Fotograf und Kameramann und drehte nun seinen ersten Spielfilm – während zweier Jahren.

Borough Park in Brooklyn ist Zentrum ultra-orthodoxer Juden in New York. Genau hier hat Weinstein seinen Spielfilm angesiedelt und gedreht – in Jiddisch mit echten chassidischen Juden. Kein leichter Weg, denn die chassidische Religionskultur und ihre Führer lehnen moderne Medien wie Smartphone, Internet, Radio, Fernsehen und Filme ab. Gleichwohl schaffte es Weinstein, dass Menschen aus der chassidischen Gemeinschaft mitwirken. Allen voran Menashe Lustig, der die Titelrolle spielte. Der Schauspieler lebte in London, drehte Comedy-Clips auf Youtube und verkörpert nun den verwitweten Vater, der ihm selber sehr nahe ist. Menashe kämpft im Film um seine väterliche Freiheit, sprich Selbständigkeit. Denn die chassidischen Gebote sagen: Wenn ein Mann seine Frau verliert und ein Kind hat, muss er/man dafür sorgen, dass eine andere Frau diesen Platz übernimmt. So steckt Menashe im Dilemma: Man schanzt ihm willige Frauen zu, die ihn heiraten wollen, doch er weigert sich, hat schlechte Erfahrung gemacht, will sich nicht nötigen lassen und droht, das Sorgerecht für seinen zehnjährigen Sohn Rieven (Ruben Niborski) zu verlieren.

Menashe ist ein eher «unorthodoxer» Mann in einer ultra-orthodoxen Gemeinschaft, kein Rebell, aber ein Individualist, der auf Selbstverantwortung und Selbständigkeit pocht. Das bringt ihn in Konflikt mit einer chassidischen Gesellschaft, die auf Einheitlichkeit, Massregelung und Synchronität setzt. Es ist ein Konflikt zwischen alten Riten, Traditionen und Gemeinsinn gegenüber Selbstbestimmung, individueller Freiheit und Verwirklichung. Keine Frage, der intime Spielfilm hat dokumentarischen Charakter. Erstaunlich auch, dass Jiddisch teilweise auch für deutsche Ohren verständlich ist. Viele Ausdrücke und Redewendungen sind in unsere Sprache eingeflossen und deutbar wie etwa der Ausdruck shlimazel (Pechvogel im Schlamassel).

20.02.2024

4

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 6 Jahren

Berührend - und von der Sprache her spannend, etwas jiddisch ist verstehbar...


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