Ohne diese Welt Deutschland 2017 – 115min.

Filmkritik

Abseits der modernen Welt

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Ohne diese Welt beobachtet eine Gesellschaft zwischen Abschottung und Wandel: einen tiefreligiösen Mennoniten-Stamm, dessen Mitglieder ein Leben wie im 18. Jahrhundert führen.

In einer abgeschiedenen Region im Norden Argentiniens leben 700 deutschstämmige Mennoniten wie vor 300 Jahren. Viehzucht und Ackerbau sichern das Einkommen der Bewohner, die ein altes Plattdeutsch sprechen. Vor 18 Jahren flohen sie aus Mexiko, um der modernen Welt zu entkommen. Autos, Internet, Radios oder Strom – all das existiert in der Kolonie nicht. Ohne diese Welt untersucht, wie sich dieses einfache Leben gestaltet.

Für Regisseurin Nora Fingscheidt ist Ohne diese Welt die zweite Lang-Doku. Für ihren Film wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem auf dem Max-Ophüls-Filmfest für die beste Dokumentation. Mit Ohne diese Welt beendete Fingscheidt, die ihre Schulzeit teilweise in Argentinien verbrachte, ihr Regie-Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg.

Geduldig und unsentimental visualisiert Fingscheidt den Alltag der Bewohner. Es ist eine skurrile aber – aufgrund der Schönheit der Savanne Argentiniens – durchaus auch erhabene Lebenswelt, in die der Zuschauer mit ihr zusammen eintaucht. Und man wird Zeuge eines extrem archaischen Daseins, das geprägt ist von harter Arbeit und in dem die Errungenschaften der modernen Welt keine Rolle spielen.

Es zeigt sich zudem sehr früh im Film, wie wenig bei den Mennoniten gesprochen wird. Es sind teils bizarre Szenen, die Fingscheidt etwa bei den täglichen Mahlzeiten einfängt. Denn wenn die ganze Familie minutenlang still schweigend und finster dreinblickend am Tisch sitzt, stellt sich durchaus ein Gefühl der Beklemmung ein. Verstärkt wird dies noch durch einige Äusserungen der Bewohner. In einer Szene erklärt ein Mennonit, dass er nicht wisse, worüber er sich mit Fingscheidt nun unterhalten solle – ein weiteres Beispiel dafür, wie wenig Bedeutung der Kommunikation beigemessen wird.

Später erzählt ein anderer, dass die Religion jeglichen Fortschritt verbiete und dass man Gemeindemitglieder, die sich nicht an die Regeln halten, rigoros mit Missachtung bestrafe. Mit ihrer einfühlsamen Gesprächsführung entlockt die Regisseurin den sonst eher verschlossenen Interviewpartnern (erstmals erhielt ein Kamerateam Zugang zur Kolonie) diese freimütigen Äusserungen.

Lobenswert ist ausserdem, dass Fingscheidt auch vor unangenehmen Fragen nicht zurückschreckt. So befragt sie die Mitglieder nach der Zukunft der Kolonie und will wissen, ob man sich auf Dauer wirklich dem Fortschritt verweigern könne. Durch das Fehlen einer einordnenden Off-Kommentierung verzichtet sie zudem auf ein eigenes Urteil und fordert die Zuschauer selbst zum Reflektieren und Nachdenken über dieses aussergewöhnliche Leben auf.



07.12.2018

4

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