Tully USA 2018 – 96min.

Filmkritik

Nicht verzagen, Supernanny fragen

Irina Blum
Filmkritik: Irina Blum

Weinende Babys, volle Windeln, quengelnde Geschwister daneben: Mütter haben es ganz und gar nicht leicht. Auch Charlize Theron nicht, die in der Tragikomödie Tully nach der Geburt ihres dritten Kindes kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht – bis die junge und energiegeladene Tully die Bühne betritt.

Marlo (Charlize Theron) steht kurz nach der Geburt ihres dritten Kindes am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Als ihr wohlhabender Bruder ihr für einen Monat eine Nacht-Nanny zahlen will, die sich bis zum Morgen um das Baby kümmern und damit für einen erholsamen Schlaf der Mutter sorgen soll, schlägt sie das Angebot zunächst aus – mit ihrem Sohn mit speziellen Bedürfnissen, einem schreienden Baby und einem unaufgeräumten Haus kommt ihr aber irgendwann jede Hilfe absolut gelegen. Und die Mutter hat nicht mit Tully (Mackenzie Davis) gerechnet: Die energiegeladene und stets positive junge Frau putzt neben dem Babysitting über Nacht gleich das ganze Haus oder backt kreative Cupcakes für die Familie. Ihr Ehemann Drew (Ron Livingston), selbst mehr mit seiner Karriere als seiner Familie beschäftigt, steht als unbeteiligter Beobachter daneben – und freut sich, dass die Situation schon fast zu gut ist, um wahr zu sein: Die nächtlichen Freiheiten scheinen seiner Frau anfangs 40 ungeahnte Energie zu geben – sie kocht, statt einfach Fertigfood auf den Tisch zu stellen, kümmert sich wieder mehr um sich selbst und wirkt generell viel ausgeglichener.

Jason Reitman (Regie) und Diablo Cody (Drehbuch), die Macher von Juno, erzählen mit Tully erneut eine Geschichte aus der Sicht einer Schwangeren – diesmal jedoch nicht diejenige einer baldigen Teenage-Mom, sondern einer Mutter anfangs 40, die gerade ihr drittes Kind auf die Welt gebracht und mit sich und dem Leben zu kämpfen hat. Sie tun dies wiederum mit einer scharfen Beobachtungsgabe und einer daraus resultierenden schonungslosen Ehrlichkeit, wie man sie bei Hollywood-Produktionen nur selten sieht. Nichtsdestotrotz ist Tully aber vor allem in den ersten zwei Dritteln auch mit ziemlich viel – wenn auch manchmal subtilem oder sehr schwarzem – Humor angereichert. Gegen Ende hin gewinnt die Tragikomödie dann mit einem überraschenden Twist einiges an Tiefe – wobei die Schwierigkeiten des Elternseins – wie zum Beispiel der Vereinbarkeit des Mutterdaseins und der Partnerschaft, der Überforderung mit der Kindererziehung oder der fehlenden Zeit für sich selbst – auch schon zuvor angesprochen werden und schlussendlich zum roten Faden des Films werden. Ohne Zweifel würde Tully und seine Botschaft jedoch nur halb so gut funktionieren ohne die grossartige Charlize Theron, die für den Film einiges an Gewicht zugelegt und jegliche Eitelkeit abgelegt hat – und mit ihrem natürlichen Auftritt die nötige Authentizität in die Geschichte bringt. Dass sie auch als Produzentin beteiligt war, zeigt, wie viel Herzblut der Südafrikanerin in diesen erfrischend anderen Film geflossen ist: Tully ist ein Film, der einen die Alltagssorgen für einen kurzen Moment vergessen lässt und gleichzeitig klarmacht, wie normal diese sind.

20.02.2024

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 6 Jahren

Es ist tatsächlich ein Blick auf das Mutter- und im weiteren Sinne auf das Elternsein, wie man ihn in Hollywood-Produktionen sonst nur selten zu sehen kriegt, aber deshalb auch erfrischend, wenngleich es dabei wenig zu lachen gibt.

Zuletzt geändert vor 6 Jahren


elelcoolr

vor 6 Jahren

Diese Tragikomödie zeigt schonungslos diejenigen Seiten der Weiblichkeit, die meistens schöngeredet werden. Die ungleiche Aufgabenverteilung von Mutter und Vater fand ich sehr befremdend. Immerhin haben wir 2018 und nicht 1958. Nur gut, dass das Kindermädchen Tully in Marlos Leben tritt und ihr unter die Arme greift. Die junge Frau weckt den Abenteuergeist und setzt bei Marlo unbekannte Kräfte frei. Aber... natürlich hat Tully ein verblüffendes Geheimnis.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 6 Jahren


navj

vor 6 Jahren

Regisseur Janson Reitman und Drehbuchautorin Diablo Cody haben sich nach zwei Kollaborationen (Juno, Young Adult) ein weiteres Mal zusammen getan und erzählen die Geschichte einer Mutter die unter postnatale Depression leidet. Der Film wirft einen ungetrübten Blick auf das Leben von Marlo (Charlize Theron), die sich nach der Geburt ihres dritten Kindes überfordert fühlt. Obwohl der Film ernsthafte und reale Themen thematisiert, ist er ebenso amüsant wie herzerwärmend. Nebst Marlos trockenen und liebevoll-spöttischen Humor, bringt Tully (Mackenzie Davis) mit ihrer Eigenart, ihrem Humor und liebenswerten Art warmes Licht in jede Szene.Mehr anzeigen


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