Western Österreich, Bulgarien, Deutschland 2017 – 119min.
Filmkritik
Zeitgemäße Variante eines klassischen Genres
Im Gewand eines traditionellen Wildwest-Films erzählt der genau beobachtete, einfühlsame Film Western vom Kampf „Gut gegen Böse“, schweigsamen Einzelgängern und gegensätzlichen Kulturen. Unbedingt sehenswert ist er dabei u.a. aufgrund seines hohen Realitätsgrads: Im Film sind ausschließlich Laiendarsteller zu sehen.
Eine Gruppe deutscher Bauarbeiter kommt in Bulgarien an, um ein Kraftwerk zu bauen. Bald gibt es erste Probleme, weil einige der skeptischen Bewohner des nahe liegenden Dorfes Vorurteile gegen die Deutschen hegen. Nicht zu Unrecht, sorgt doch gerade der machohafte Vincent (Reinhardt Wetrek) immer wieder für Ärger. Hinzu kommen kulturelle Differenzen und Verständigungsprobleme. Am besten kommt der schweigsame Meinhard (Meinhard Neumann) mit der neuen Umgebung klar. Langsam nähert er sich den Bewohnern an.
Western ist der dritte Spielfilm der Bremer Regisseurin Valeska Grisebach, deren letzter Film bereits zehn Jahre zurückliegt. Bekannt wurde sie 2001 mit dem Drama Mein Stern. Western feierte in diesem Jahr bei den Filmfestspielen von Cannes seine Weltpremiere.
Grisebach verlagert die gängigen Strukturen und Konventionen klassischer Western an die bulgarisch-griechische Grenze. Ihr Film ist selbst eine Art Western traditioneller Machart. Nur spielt er eben in der Moderne, an einem dünn besiedelten Ort am östlichen Rand Europas. Und: er findet Entsprechungen für die bekannten Western-Figuren.
Stellvertretend für die Cowboys, die ein fremdes Land betreten, stehen hier die Bauarbeiter. Unter ihnen gibt es den geheimnisvollen Einzelgänger (Meinhard). Die Indianer werden von den Dorfbewohnern verkörpert. Zwischen beiden Kulturen und Lebensweisen gibt es Differenzen, zum Beispiel die sprachliche Barriere oder unterschiedliche Lebensstandards. Und noch mehr Versatzstücke des Western-Genres existieren: prächtige Natur, Pferde, Alkohol, die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer und schließlich der Kampf Gut gegen Böse (Meinhard gegen Vincent).
Hohe Authentizität erreicht Western, da sich alle Beteiligten selbst spielen und sich damit in ihren Rollen nicht verstellen müssen. Wenn zum Beispiel die Gäste aus Deutschland ihre Macho-Sprüche klopfen, rauchen und in der Pause – natürlich Oberkörper-frei – ein Bier zischen, dann sieht man hier echte Bauarbeiter, die das wahre Leben repräsentieren. Dasselbe gilt für die Einheimischen, von denen einige nicht nur so tun, als ob sie den „Deutschen“ eher ablehnend gegenüberstehen. Sie fühlen tatsächlich so, wie zum Beispiel eine örtliche Verkäuferin, die Meinhard nicht einmal eine Zigarette abgeben will.
Wahrhaftig erscheint dann auch das gegenseitige Annähern der beiden unterschiedlichen Lebenswelten, die Grisebach feinfühlig und unsentimental inszeniert.
Dein Film-Rating
Kommentare
Für Laienschauspieler war das sicher eine ganz tolle Leistung. Das ist aber auch alles Positive an diesem Film. Ich verstehe die vielen Punkte nicht?! Hier die Deutsche Bauarbeitertruppe: ungehobelte Machos, die allesamt zu Gewalt neigen, dort die sensiblen, gebildeten Einheimischen, deren unermessliche Gastfreundschaft von den Eindringlingen schamlos ausgenutzt wird..... Mmmmhhh? Oder war ich eventuell im falschen Film?… Mehr anzeigen
In kurzer Zeit kommen wir in dieser Film-Perle den zahlreichen (männlichen) Helden sehr nahe. Und begegnen im bulgarisch-griechischen Grenzgebiet einem Europa, von dem die Mainstream-Medien kaum erzählen. Wir geniessen die erzählte Ruhe und staunen, wie die aussergewöhnlichen Laienschauspieler -die im Wesentlichen sich selber spielen- sich in diesem "Eastern" zuerst einander und schliesslich mit dem Film gegenüber der Welt öffnen.… Mehr anzeigen
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