Der Esel hiess Geronimo Deutschland, Schweiz 2018 – 80min.
Filmkritik
Das verlorene Paradies
Der Esel hiess Geronimo ist eine zeitlose und universelle filmische Erzählung über die Verwirklichung und das Scheitern eines grossen Menschheitstraums: sich auf einer einsamen Insel sein eigenes, wohl behütetes Paradies zu schaffen.
Auf einer Insel in der Ostsee lässt sich eine Gruppe Seemänner nieder, die das Ziel von Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung verfolgen. Sie besiedeln und bewirtschaften die Insel. Nach einiger Zeit aber müssen sie erkennen, dass das abgeschiedene Leben auf engstem Raum Hindernisse bereithält. Desillusioniert kehren sie schliesslich aufs Festland zurück und begraben den einstigen Traum. Der Esel hiess Geronimo erzählt die Geschichte dieser mutigen Abenteurer, die einen Weg zurück ins Leben suchen.
Nun leben die Männer schon länger wieder in ihren rostigen Schiffen im Flensburger Hafen. Dort denken sie wehmütig an „ihre“ Insel zurück, die sie bei klarer Sicht am Horizont erkennen können. Dabei handelt es sich um die Ochseninsel, ein in der Flensburger Förde gelegenes dänisches Eiland. Die Pachtzeit belief sich eigentlich auf 25 Jahre, doch nach zwölf Jahren war die Gemeinschaft so zerstritten, dass auch der Letzte die Insel in Richtung Festland verliess.
Stets ganz dicht sind die Filmemacher Arjun Talwar und Bigna Tomschin bei ihren Protagonisten. Diese hängen – auf sympathische Art und Weise – ihrem alten Lebenstraum nach. Die Gespräche sind durchzogen von Schwermut und Nostalgie. Trotz allem haben sie sich ihre Herzlichkeit und ihren schrulligen Charakter bewahrt. Bier trinkend und alte Geschichte erzählend hocken sie in ihren Kombüsen oder liegen auf ihren Betten. Ihr Humor: trocken und lakonisch. Im Laufe des Films fühlt man sich ihnen immer näher und es bereitet Freude, den Ex-Insulanern zuzusehen und zuzuhören.
Die Botschaft des Films ist aber ebenso knallhart wie ehrlich: Der eine, absolut paradiesische Ort, an dem alles perfekt und sorgenfrei abläuft, existiert nicht – auch nicht in der Flensburger Förde. Interessant ist, dass die Ochseninsel und das Leben auf ihr über die gesamte Laufzeit schwer greifbar bleiben. Viele Hintergründe über die wahren Ursachen für die Rückkehr erfährt man nicht. Zwar deuten die Männer in unscheinbaren Nebensätzen immer wieder Streitigkeiten an, etwa mit dem Verpächter. Doch den Rest muss sich der Zuschauer dazu denken. Vieles bleibt im Dunkeln und angedeutet.
Dieses Nebulöse passt sich allerdings ganz wunderbar der Aura von Der Esel hiess Geronimo an. Ein Film, der bis kurz vor Schluss die Insel als geheimnisvollen, mystischen Sehnsuchtsort erscheinen lässt. Ein Grund dafür ist, dass lange keine Bilder von der Insel zu sehen sind, über die aber ständig alle sprechen. Dieses dramaturgische Vorgehen ist geschickt und erzeugt viel Spannung.
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