En liberté ! Frankreich 2018 – 107min.

Filmkritik

Ein Missverständnis kommt selten allein

Irina Blum
Filmkritik: Irina Blum

Antoine war acht Jahre lang unschuldig hinter Gittern – und schuld ist ein korrupter Polizeichef, der im südfranzösischen Küstenstädtchen noch immer als Held gefeiert wird. Die französische Komödie von Pierre Salvadori (Liebe um jeden Preis - Hors de prix) schafft es nicht immer, die Gags zum Zünden zu bringen, punktet aber mit schrägen Ideen und äusserst charmanten Hauptdarstellern.

Yvonne (Adèle Haenel) fällt aus allen Wolken, als sich ihr als Held gefeierter Ehemann Louis (Damien Bonnard), der im Dienst als Polizeichef ums Leben kam, in Tat und Wahrheit als korrupt entpuppt. Und nicht nur das: Um seine Haut zu retten, hat er sogar einen Unschuldigen namens Antoine (Pio Marmaï) für acht Jahre hinter Gitter gebracht. Als der Pechvogel entlassen wird, beginnt Yvonne deshalb – selbst ausgebildete Polizistin – mit der Überwachung von Antoine: Sie will seinen Ruf wiederherstellen und ihm den Start in den Alltag abseits vom Gefängnis erleichtern. Doch das stellt sich als schwieriger heraus, als zunächst angenommen…

Denn der unschuldig verurteilte Antoine hat nach acht Jahren im Gefängnis scheinbar komplett alle Verhaltensregeln aus seinem früheren, angepassten Leben vergessen – oder aber bewusst über Bord geschmissen. So überfällt er während eines Dates mit seiner Freundin Agnès (Audrey Tautou) auf der Suche nach Zigaretten einfach den Kioskbetreiber mit einem Müllsack über dem Kopf – oder schlägt auf der Strasse Leute zusammen. Das bringt viele witzige Szenen hervor, einige sind aber allzu tragikomisch, sodass einem das Lachen beinahe im Hals stecken bleibt.

Nichtsdestotrotz präsentiert uns Regisseur Pierre Salvadori, der auch am Drehbuch beteiligt war, in En Liberté einige erfrischende Einfälle, clevere Schlagabtäusche und urkomische Situationen – etwa, wenn Yvonne ihrem Sohn vor dem Einschlafen als Gutenachtgeschichte von den Heldentaten seines Vaters erzählt, die in Actionfilm-Manier auf Grossleinwand gezeigt werden, und mit dem Fortgang der Handlung immer weniger wohlwollend ausfallen. Obwohl der Film trotz einer nicht übermässig langen Spieldauer von etwas über 100 Minuten zur Mitte hin einen leichten Durchhänger hat, einige Pointen nicht zu zünden wissen und gewisse Ideen etwas gar zu bizarr oder billig sind, kann man das der französischen Komödie gutmütig verzeihen.

Das ist wohl auch ihrer Besetzung zu verdanken: Audrey Tautou ist trotz ihrer kleinen Rolle reizend (Stichwort: Antoines Rückkehr aus dem Gefängnis), und Pio Marmaï und Adèle Haenel spielen mit einem Charisma und einer Natürlichkeit auf, die ihresgleichen sucht. Man schaut den beiden verlorenen Seelen gerne zu, wie sie zusammen durchs Leben straucheln und schlussendlich sogar irgendwie ein gemeinsames, unerwartetes Ende finden – obschon dieses spätestens nach dem Abspann schon fast wieder vergessen ist.

13.06.2019

3.5

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