Entre dos aguas Spanien, Schweiz 2018 – 135min.
Filmkritik
Zwischen den Zeiten
In Isaki Lacuestas neuestem Film geht es um zweite Chancen, die Rückbesinnung auf die Vergangenheit und den Wunsch nach geordneten Verhältnissen.
Isra (Israel Gómez Romero) und Cheito (Francisco José Gómez Romero) sind in einer Roma-Siedlung gross geworden. Die Lebenswege der Zigeunerbrüder hätten nach der Jugend nicht unterschiedlicher sein können. Während Isra wegen Drogenhandels im Gefängnis landete, ging Cheito als Koch zur Marine. Nach Isras Haftentlassung treffen sie sich wieder. Bald werden Erinnerungen an die Vergangenheit, und damit auch den gewaltsamen Tod des Vaters, wach.
Lacuesta drehte vor 14 Jahren eine Doku über den Flamenco-Sänger Camarón de la Isla (La leyenda del tiempo). Während der Dreharbeiten, die Lacuesta nach San Fernando führten, fielen dem Filmemacher die damals jugendlichen Israel und Francisco Gómez Romero auf. Sie waren in der Doku einige Male zu sehen. Und liessen Lacuesta über all die Jahre nicht mehr los. Oft begleitete der Katalane die beiden in den Folgejahren mit der Kamera und macht sie in Entre dos aguas nun zu seinen Hauptdarstellern.
Vieles in Entre dos aguas passiert tatsächlich und ist damit abgefilmte Realität. Etwa die nachdrückliche Eingangssequenz, die Israel im Kreisssaal bei seiner Frau zeigt, die gerade gebärt. Kurz darauf führen ihn zwei Beamte ab und bringen ihn zurück ins Gefängnis. Israel erhielt „Ausgang“, um bei der Geburt dabei sein zu können.
Was genau Wirklichkeit und was Fiktion ist, lässt sich von aussen nicht immer leicht sagen. So oder so: Beachtlich ist, mit welcher Leichtigkeit die Brüder vor der Kamera agieren. Und Lacuesta ist stets ganz dicht bei ihnen. Er filmt ihnen über die (tätowierten) Schultern und ist anwesend, wenn sie Zeit mit ihren Töchtern verbringen oder im Wasser unter einer Brücke so vergnügt miteinander herumalbern, als wären sie wieder Teenager.
Immer wieder montiert Lacuesta Szenen von „früher“ (aus La leyenda del tiempo) an passenden Stellen in seinen Film. So ergibt sich die Möglichkeit zu einem direkten Vergleich: Was wurde aus den Jungs von damals? Wie haben sie sich entwickelt? Lacuesta schwimmt in der Zeit (eine Anspielung auf den Filmtitel, der übersetzt „Zwischen den Gewässern“ bedeutet) und stellt die Aufnahmen von damals jenen von heute gegenüber.
Problematisch wird es, wenn man La leyenda del tiempo nicht kennt und keinerlei Vorkenntnisse über die Darsteller oder die Geschichte besitzt. Dann wirken die zwischengeschnittenen Sequenzen aus dem Film von 2006 eher wie ein Verwirrung stiftender Fremdkörper. Erzählerisch tritt Lacuesta zudem häufig auf der Stelle. Handlung und Story wollen gerade im Mittelteil nicht so recht vorankommen, was zu Anflügen von Längen führt – zumal der Film mit 135 Minuten ohnehin schon über eine stattliche Laufzeit verfügt.
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