Loveling Brasilien, Deutschland, Uruguay 2018 – 95min.
Filmkritik
Wenn Träume wahr werden
Gustavo Pizzi erzählt einfühlsam von den letzten Tagen, die ein junger Handballspieler aus Brasilien, für ein deutsches Profiteam rekrutiert, zu Hause in seiner Familie verbringt.
Der halbwüchsige Fernando lebt mit seinen drei Geschwistern und Eltern in Pétropolis in der Nähe von Rio de Janeiro. Vater Klaus betreibt einen Kiosk, der kaum etwas abwirft, Mutter Irene trägt als fliegende Händlerin ihr Scherflein bei und holt endlich ihren Schulabschluss nach, Fernando geht zur Schule und spielt Handball. Nachdem er seiner Mannschaft einmal mehr zum Sieg verholfen hat, bekommt er einen Anruf von einem Sportscout, der ihm einen Platz in einer deutschen Profimannschaft anbietet, für Fernando erfüllt sich ein Traum.
Man kennt solche Geschichten um Jugendliche, die sich mittels ihres Sporttalents frei spielen nicht nur aus Zeitungen und von Fussballplätzen, sondern in bunter Variation auch vom Kino. Eine der schönsten erzählt, in hübscher Gender-und Immigrations-Variation, Bend It Like Beckham, unter den Dokumentarfilmen zu erwähnen etwa ist Steven Cantors Dancer um den Tänzer Sergei Polunin.
Für gewöhnlich fokussieren diese Filme auf die Sportler. Nicht so Gustavo Pizzis Loveling. Der zeigt Fernandos Schicksal gespiegelt im Gesicht von Irene, wo sich dazu unmittelbar die mütterlichen Reaktionen gesellen: Karine Teles, mit Pizzi verheiratet und am Drehbuch mitbeteiligt, spielt Irene emotional luzide und stark; um bei der Familie Pizzi Teles zu bleiben, seien hier auch die Zwillinge Francisco und Arthur erwähnt, die im Film Fernandos jüngsten Geschwister spielen.
Zwanzig Tage Zeit bleiben Fernando in der Folge, um Administratives zu regeln und sich von seinem bisherigen Leben – Freunden, Verwandten, Familie – zu verabschieden. Pizzi bedient sich erzählerisch eines magischen Realismus und stülpt die Geschichte der Mutter immer mehr über die des Sohnes. Man lebt pragmatisch von Tag zu Tag. Die Armut ist sichtbar, aber kein Thema, sondern bloss der Hintergrund, auf dem prall quirlig das Leben mit seinen kleinen und grossen Hindernissen, vor allem aber täglichen Freuden spielt.
Zu den schönsten Szenen gehören ein Familienausflug an den Strand sowie ein Picknick im Garten, bei dem die Kinder mit aus dem Brunnen gefischten Fröschen spielen; vielleicht bloss ein Traum ist die Szene, in der Irene mit ihrem Ältesten auf einem aufgeblasenen Pneu den Fluss hinuntertreibt. Loveling ist ein emotional riesiger wenn auch kleiner Film, der einfühlsam von der Erfahrung berichtet, die irgendwann allen Eltern blüht: Dass man Kinder loslassen muss.
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