The Kindergarten Teacher USA 2018 – 96min.

Filmkritik

Vergeudetes Talent

Irina Blum
Filmkritik: Irina Blum

Als die Kindergärtnerin Lisa den 5-jährigen Jimmy Roy beim vor sich Hersagen von Gedichten erwischt, ist sie überzeugt: Der Junge ist der nächste Mozart. The Kindergarten Teacher ist ein leises – vielleicht ein wenig zu leises – Drama über verflossenes Talent und verpasste Chancen, das hauptsächlich von Maggie Gyllenhaals intensiver Performance profitiert.

Lisa (Maggie Gyllenhaal) ist eine Kindergärtnerin in Staten Island, New York, die ziemlich unzufrieden durchs Leben geht – obwohl sie eine gesunde Familie, eine mehr oder weniger funktionierende Beziehung und ein Vorort-Haus inklusive Pool ihr Eigen nennen darf. Mitten in der Midlife-Crisis entdeckt sie das Talent ihres 5-jährigen Schülers Jimmy Roy: Der eigentlich völlig gewöhnliche, jedoch wie aus dem Nichts in einer Art Trance Gedichte vor sich hin sagende Junge ist für sie der neue Mozart. Anders als sie selbst, deren Talent laut ihr im System sang- und klanglos unter- und irgendwann verloren ging, soll Jimmy die Chance haben, seine Gabe auszuleben. Dass seine Gedichte, welche die Pädagogin in ihren Abendkursen für Lyrik in Manhattan als ihre eigenen ausgibt, bei allen Begeisterung auslösen, bestätigt sie in ihrer Entdeckung. Lisa setzt ab sofort alles daran, den Jungen und sein ausserordentliches Talent ins Rampenlicht zu bringen – auch wenn dies einiger unkonventioneller Methoden bedarf…

Denn Jimmys Umfeld ist nicht gerade fruchtbar für sein Talent: Sein Vater ist ständig am Arbeiten, seine häufig wechselnden Kindermädchen erkennen seine grosse Gabe nicht, und in seiner Freizeit soll der 5-jährige statt in Lyrikkurse ins Baseball-Training. Lisa ändert das: Sie probiert, Jimmys poetischen Kreationen auf Papier festzuhalten, nimmt ihn im Unterricht oft beiseite, um ihm neue Inspiration zu liefern, ruft ihn zu Hause an, um sich nach neuen Gedanken zu erkundigen, schleppt ihn mit zu Literaturlesungen. Kurz: Sie treibt es ziemlich weit – bis die Situation irgendwann zu eskalieren und Lisas Ruf definitiv ruiniert zu werden droht.

The Kindergarten Teacher ist das Remake des gleichnamigen israelischen Originals aus dem Jahr 2014. Im Kern erzählt das Drama die Geschichte einer resignierten Frau in der Midlife-Crisis, die in ihrem Schüler Talent erkennt, das in ihr selbst irgendwo zwischen Einschulung und dem zweiten Kind verloren ging. Der Film nimmt sich viel Zeit dafür, die Befindlichkeiten seiner Figuren zu erzählen – er macht das feinfühlig, teilweise jedoch auch ein wenig zäh. Was das Remake aber definitiv sehenswert macht, ist Maggie Gyllenhaal: Sie spielt die verzweifelte Kindergärtnerin, die vom 5-jährigen Jimmy schlicht besessen ist, mit viel Zurückhaltung und Feingefühl, ohne dabei aber kraftlos oder blass zu wirken. Im Gegenteil: Als Zuschauer wird man dank ihres überzeugenden und authentischen Spiels und der von ihr allmählich entwickelten Obsession langsam in die Geschichte hineingezogen, vergisst dabei teilweise gar, die Situation moralisch zu bewerten. Bis zum Schluss, der einen dann wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt: Mag sein, dass Talente traurigerweise häufig untergehen oder verdrängt werden in unserem System –  Lisa geht, um dieses zu retten, dann aber doch einen oder gar zwei Schritte zu weit.





26.03.2024

3.5

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Kommentare

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8martin

vor 3 Jahren

Als die Kindergärtnerin Lisa (Maggie Gyllenhaal), die einen Kurs für Poesie belegt hatte, feststellt, dass der 5-jährige Jimmy (Parker Sevak) einer ihrer Zöglinge, hin und wieder Gedichte vor sich hinbrabbelt, erkennt sie als einzige das Talent des kleinen Wunderkindes. Sie vernachlässigt ihre Familie, d.h. Ehemann Grant (Michael Chernus) und ihre zwei Teeny Kids und umschwärmt den kleinen Poeten, bringt ihn sogar zu einer öffentlichen Lesung. Die Familie kümmert das Talent weniger. Lisa kidnappt kurzerhand den Buben und geht on Tour mit ihm, macht Station in einem Hotel, Ziel Kanada. Jetzt wird aus dem Million Dollar Baby eine unglaubwürdige Groteske. Obwohl Lisa alles tut, damit es Jimmy gut geht und wenn er sie mal ein paar Tage nicht gesehen hat, umarmt er sie inniglich (‘Du hast mir gefehlt!‘) schließt er sie plötzlich in der Dusche ein und wählt die Nummer der Polizei. Eine Kurzschlusshandlung? Sehnsucht nach dem Elternhaus, wo ihn niemand schätzt? Doch es ist immerhin sein Elternhaus.
Er wird vom Arm des Gesetzes abgeholt. Seine letzten Worte sind ‘Ich habe ein Gedicht.‘ Damit pflegte er seine lyrischen Ergüsse immer anzukündigen. Aber niemand hört ihn jetzt.
Rätselraten ist angesagt. Außer der Lyrik des kleinen Jimmy hören wir auch Gedichte, die von Algorithmen stammen. Alles ist möglich. Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht. Maggie Gyllenhaal versucht ihr Möglichstes, aber das Drehbuch hat sie einfach zwischen Mutterrolle, Ehefrau, Seitensprung mit dem Kursleiter (Gael Garcia Bernal) und Kidnapperin in allerlei angedeuteten Unglaubwürdigkeiten zerrieben. K.V.Mehr anzeigen


nick74

vor 5 Jahren

Konnte damit nichts anfangen bzw. weiss ich nicht, was mir die Geschichte erzählen soll.


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