The Price of Everything USA 2018 – 98min.
Filmkritik
Vanitas. Oder: Wo die Millionen fliessen
Nathaniel Kahn spürt in seiner vielstimmigen Recherche dem Wert der Kunst und dem Stellenwert künstlerischen Schaffens in der Konsumgesellschaft von heute nach.
Künstler werden soll nur, wer Künstler werden muss, heisst es in The Price of Everything. Denn ein Künstler muss auch heute noch damit rechnen, zeitlebens arm zu sein. Dies, obwohl der Kunstmarkt sich in den letzten 50 Jahren massiv gewandelt hat: Seit bei der Scull-Auction im Oktober 1973 die Preise unverhofft in die Höhe schnellten, gelten Kunstwerke vor allem als Prestige-Objekte, und der Kunsthandel – früher zwischen Kunstkennern und Museen austariert – ist heute ein vom Geschmack der Superreichen bestimmter Anlagemarkt. Oder, wie der Kunstsammler Stefan Edlis pointiert formuliert, es gibt heute „viele Menschen, die von allem den Preis wissen, aber von nichts den Wert kennen“.
Der gebürtige Österreicher Edlis erstand in den 1970ern sein erstes Kunstwerk und gilt heute als einer der einflussreichsten Kunstkenner der Welt. Er bildet zusammen mit Sotheby’s Fine Art-Chefin Amy Cappellazzo sowie den Star-Artisten Jeff Koons, George Condo, Marilyn Minter und Njikdeka Akunyili Crosby die Lead-Gruppe dieser Recherche, die viele andere – Sammler, Händler, Historiker, Kritiker – auch zu Wort kommen lässt. Thema ist immer das Gleiche: das Funktionieren des Kunstmarktes, der Stellenwert der Kunst in der Konsumgesellschaft, die Kunst, heute Künstler zu sein. Denn so unverhofft man heute zum Star wird, so unerwartet landet man bisweilen wieder im Off. Und wenn man, wie Larry Poons, beschliesst, dass „das erste Werk nicht gleich wie das letzte sein darf“, schliesst man sich selber aus; Poons, in den 1960ern für seine Dot Paintings gefeiert, lebt seit Jahrzehnten zurückgezogen auf dem Land und spielt in The Price of Everything sozusagen den Konterpart.
Nathaniel Kahn (My Architect) hat seinen Film mit viel Szenenkenntnis, nicht ohne neckische Verweise auf die Filmgeschichte – Jeff Koons wird als Vorbild von The Wolf of Wall Street beschrieben – und erzählerischem Geschick aufgezogen. The Price of Everything ist stellenweise spannend wie ein Krimi und eröffnet Einblicke in atemraubende Settings und Räume, die Normalsterblichen meist verwehrt sind: Appartements von Superreichen, schicke Ateliers von Star-Artisten, die Backoffice-Räume von Sotheby’s New York. Etwas bedauerlich allerdings ist, dass Kahn seine Protagonisten so viel schwatzen lässt, dass man Gefahr läuft zu übersehen, was der Film nebenbei erzählt: Wie Condo, Minter, Poons malen. Wie man bei Sotheby’s über Wochen eine Auktion vorbereitet. Dass sich bei einer Auktion bisweilen kleine Dramen abspielen.
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