Walden Schweiz 2018 – 107min.
Filmkritik
Holz auf Reise
So intensiv wie in Walden rauschen Bäume im Kino selten: Der erste lange Film von Daniel Zimmermann erzählt von der Reise einer Fichte und lädt zur meditativen Betrachtung.
Dreizehn Kameraschwenks um je 360 Grad und fast exakt 8 Minuten Dauer: An Konzeptkunst gemahnt Walden. Er wirkt auf den ersten Blick dokumentarisch und fordert in unablässiger Bildbewegung des Zuschauers aufmerksame Beobachtung. Man sieht Bäume, hört Vögel, das Rauschen der Blätter, plötzlich heult eine Säge auf. Tatsächlich hält Walden, präzis choreografiert, eine „teilinszenierte Wirklichkeit“ fest: Der Schweizer Daniel Zimmermann, der sich in Performances, Installationen und Filmen seit längerem mit der Bedeutung und Nachhaltigkeit menschlichen Handelns auseinandersetzt, stellt mit Walden seinen ersten langen Kinofilm vor.
An dessen Anfang wird im Klosterwald von Admont in der Steiermark eine Fichte gefällt. Zu Latten verarbeitetet geht das Holz auf Reise. Per Wagen, Bahn, LKW, Tanker, Schiff, Kahn, Kanu, zuletzt auf den Schultern von Menschen, erreicht es sein Ziel: Einen genauer nicht lokalisierten Ort im brasilianischen Regenwald. Den Weg, den es zurücklegt, folgt einer der gängigen Rohstoffhandelsrouten. Paradoxerweise allerdings bewegt sich das Handelsgut in umgekehrter Richtung: statt von Südamerika nach Europa, von Europa nach Südamerika.
Somit führt Walden aus der Hektik der von abendländischen Vorstellungen geprägten, profitorientierten Industriewelt in die Ruhe des (vermeintlich) unberührten Urwalds. In die Heimat von Naturvölkern, in deren Vorstellung die Natur, Fauna und Flora, so beseelt sind wie die Menschen, und marktwirtschaftliche Orientierung fremd ist. Im Abspann erwähnt werden die Yanomani.
Zugrunde liegt Walden, der Titel lässt es anklingen, Henry David Thoreaus Buch „Walden – or, Life in the Woods“. Zusätzliche Impulse gaben Zimmermann frühere Projekte. Der Kurzfilm Stick Climbing (2010), der ihn den Stiftwald von Admont entdecken liess. Eine Reise in das Amazonas-Gebiet, die zur Bekanntschaft mit indigenen Gemeinschaften führte.
Dialog- und kommentarlos, eröffnet Walden solches, wenn überhaupt, höchstens im Abspann. So sitzt man als Zuschauer ganz sich selber, den Bildern und Tönen überlassen im Kinosaal. Sinniert man anfänglich noch der Bewegung der Kamera nach und sperbert gespannt nach dem in jeder Sequenz auftauchenden Holz, taucht man mit der Dauer immer tiefer ein in den Flow dieses Filmes, der schliesslich als ein einmalig meditatives, die Sinne und das Denken schärfendes Kino-Erlebnis entpuppt.
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