Zone Rouge Deutschland, Schweiz 2018 – 90min.
Filmkritik
Bittere Lebensbeichten
Fünf Schulfreunde treffen sich nach einem Vierteljahrhundert wieder und diskutieren Vergangenes und Gegenwärtiges – bis alte Wunden aufreissen. Zone Rouge ist ein gelungenes Porträt der Generation 40+ mit vielen intimen Momenten, das mit zunehmender Spielzeit jedoch immer zerfahrener und plakativer wird.
Nach einem Klassentreffen lädt die Übersetzerin Marie (Chantal Le Moign) ihre alte Clique auf einen Absacker zu sich nach Hause ein: Darunter ihr Ex-Geliebter Patrick (Michael Neuenschwander), die Uni-Professorin Semiha (Siir Eloglu), der chaotische Autor Andreas (Nicolas Rosat) und Georges (Christopher Buchholz), der einst als Berufssoldat gearbeitet hat. Zunächst herrscht eine ausgelassene Stimmung, doch allmählich kommen verdrängte Erinnerungen und Gefühle zum Vorschein. Zudem liegt die Last eines tragischen Ereignisses aus der Vergangenheit über dem Treffen.
Zone Rouge ist seit 2010 der erste Spielfilm des türkisch-schweizerischen Theater- und Filmregisseurs Cihan Inan (180° – Wenn deine Welt plötzlich Kopf steht). In den letzten Jahren arbeitete er unter anderem als Regieassistent für die Krimireihe «Tatort» und ist seit 2017 Schauspieldirektor am Konzerttheater Bern. Zone Rouge feierte seine Premiere am diesjährigen Zürcher Filmfestival.
Zone Rouge ist ein Film über Menschen, die bereits über die Hälfte ihres Lebens hinter sich haben und eine erste Bilanz ziehen. Eine Zusammenfassung ihrer Lebensleistungen, beruflichen Erfolge wie Misserfolge, privaten Glücksmomente und Schicksalsschläge. Je länger man den Gesprächen der Protagonisten in Zone Rouge lauscht, desto deutlicher wird, dass diese Bilanz alles andere als positiv ausfällt – und zwar bei allen Beteiligten. Zur Sprache kommen bis heute nachwirkende Jugendsünden, unglückliche Liebschaften, Traumata und berufliche Laufbahnen, die sich einige so nicht vorgestellt haben.
Der Film funktioniert deshalb als Reflexion über unerfüllte Träume und unglückliche Lebenswege ziemlich gut, weil die Darsteller ihre innere Zerrissenheit und emotionale Fragilität glaubhaft nach aussen kehren. Besonders deutlich wird dies in stillen Momenten der Einsamkeit, etwa wenn sich die Protagonisten auf die Toilette oder ins obere Stockwerk des Hauses flüchten – um durchatmen oder unbeachtet ihren Tränen freien Lauf lassen können.
In der letzten halben Stunde aber verliert der Film zunehmend an Glaubwürdigkeit, wenn es (gefühlt) minütlich zu immer neuen, erschütternden Ereignissen, obskuren Wendungen und halbseidenen Bekenntnissen kommt, inklusive unterdrückter Identitäten und inzestuöser Andeutungen. Dann driftet der Film zunehmend ins Reisserische ab, wird im Schlussakt mit seiner ausufernden Gewalt unfreiwillig komisch und büsst so letztlich seine Authentizität ein.
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Kommentare
Spannend. Packend. Das Leben schlägt zu. Es lohnt sich hinzugehen.
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