The Invisible Life of Eurídice Gusmão Brasilien, Deutschland 2019 – 139min.

Filmkritik

Der ewige Bund der Schwestern

Laura Hohler
Filmkritik: Laura Hohler

Der brasilianische Starregisseur Karim Aïnouz lässt seine Zuschauer in The Invisible Life of Eurídice Gusmão in das Leben zweier junger Frauen im Rio der 1950er-Jahre eintauchen.

Die beiden unzertrennlichen Schwestern Eurídice (Carol Duarte) und Guida (Júlia Stockler) führen ein unbeschwertes und glückliches Leben im Rio de Janeiro der 50er-Jahre. Eurídice ist eine begabte Klaviervirtuosin, die seit jeher davon träumt, eines Tages am Wiener Konservatorium aufgenommen zu werden. In der Familie gilt sie als die bravere und angepasstere der beiden. Guida hingegen ist wild, eine Frohnatur und geht heimlich mit Männern aus. Als sie sich in einen griechischen Matrosen verliebt, beschliesst sie, mit ihm in seine Heimat durchzubrennen und ihn dort zu heiraten. Der geliebten Schwester verspricht sie, bald wieder nach Hause zu kommen und schreibt vom Schiff aus einen Brief an ihre Familie.

Eurídices Herz ist gebrochen, da sie sich von Guida im Stich gelassen fühlt. Als die hochschwangere Guida eines Tages alleine in ihr Elternhaus zurückkehrt, verstösst sie ihr konservativer Vater und verbietet der Tochter jeglichen Kontakt zur Familie. Eurídice, die unterdessen selbst unglücklich verheiratet ist, verheimlicht er die Rückkehr ihrer Schwester. Jahre vergehen, während die beiden im selben Stadtquartier leben, ohne voneinander zu wissen. Während Eurídice ein bürgerliches Leben führt, heiratet und Kinder bekommt, macht sich bei Guida ein radikaler sozialer Abstieg bemerkbar.

Karim Aïnouz’ Filmdrama überzeugt durch seinen poetischen Realismus und durch die hervorragenden schauspielerischen Leistungen der beiden Schauspielerinnen Carol Duarte und Júlia Stockler. Der beinahe etwas zu lang geratene Film schafft es trotz seiner Intensität, die Zuschauer bis zum Schluss zu fesseln und auf ein Wiedersehen der Schwestern hoffen zu lassen. Ein besonders herzzereissender Moment ergibt sich, als der aufgebrachte Vater seine schwangere Tochter von sich wegstösst und sie beschimpft, während seine Ehefrau die verlorene Guida in die Arme schliesst.

Diese Szene demonstriert auf tragische Weise die absolute Unterdrückung der Frau zu jener Zeit in Brasilien. Der Patriarch verstösst die Sünderin, spielt sich zu ihrem Richter auf und zerstört so auch das Leben seiner anderen Tochter, die völlig nichtsahnend ein bürgerliches Familienleben führt. In Form eines Tagebuchs tröstet sich die alleinerziehende Guida über den schmerzlichen Verlust hinweg und schreibt ihrer Schwester Briefe, welche diese aber nie erreichen. Doch trotz der Melancholie lebt der Film auch von heiteren Momenten. So findet die alleingelassene Guida beispielsweise eine Art Ersatzmutter in Form einer alternden Prostituierten, bei welcher sie mit ihrem Sohn unterkommt. Es sind gerade auch diese Momente, die The Invisible Life of Eurídice Gusmão zu einem sehenswerten und berührenden Drama machen.

16.12.2019

4

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 3 Jahren

Traurigschön.
Und ein Lehrstück über Eltern, 'die nur das beste wollen', und das Leben ihrer Kinder kaputt machen (vgl. Beyto).


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