Dolor y gloria Spanien 2019 – 113min.
Filmkritik
Almodóvar kehrt sein Inneres nach Aussen
In seinem 21. Wurf verwebt der spanische Kult-Regisseur Pedro Almodóvar autobiografische Elemente mit Fiktion und schafft damit einen äusserst persönlichen Film, bei dem der Schmerz aus dem Titel deutlich spürbarer wird als die Herrlichkeit.
Als der in die Jahre gekommene Regisseur Salvador (Antonio Banderas) eingeladen wird, seinen erfolgreichsten Film im Rahmen einer Retrospektive in Madrid zu präsentieren, lässt er sich eher widerwillig darauf ein – auch weil er gezwungen ist, Kontakt zum Star seines grössten Films aufzunehmen, mit dem er seit damals tief zerstritten ist. Erstaunlicherweise verstehen sich die grundverschiedenen Männer nach all diesen Jahren aber ganz ordentlich, und Albertos (Asier Etxeandia) lockeres Verhältnis zu Drogen, das Salvador damals in den Wahnsinn getrieben hat, hilft ihm heute, sich zu entspannen: Gemeinsam dröhnen sie sich in Albertos Garten zu, und Salvador verfällt in eine Art Trance, die ihn seine von seinen zahlreichen Krankheiten ausgelösten Schmerzen vergessen und in der Vergangenheit schwelgen lässt.
Als Zuschauer nimmt man dank diversen ungeordneten Zeitsprüngen an diesen mit Parallelen zu seiner eigenen Kindheit gespickten Erinnerungen teil: Der clevere Salvador (als Junge: Asier Flores) – einem Handwerker aus dem Dorf bringt er zum Beispiel das Lesen und Rechnen bei – entdeckt schon früh seine Liebe für das Kino, und wehrt sich dagegen, in eine Priesterschule einzutreten, obwohl das laut seiner Mutter (Penélope Cruz) die einzige Möglichkeit für die mittellose Familie ist, ihm ein Studium zu ermöglichen. Diese versucht mit liebevoller Strenge, Salvador zu einer besseren Zukunft zu bringen, und gibt sich penible Mühe, ihr Zuhause, eine Art Wohnung unter der Erde, trotz bescheidenen Mitteln möglichst heimelig einzurichten. Zuhause ist es dann auch, wo er die ersten Erfahrungen mit seiner sexuellen Identität macht: Während ein junger Handwerker die Wand nachbessert, gibt der Junge ihm Nachhilfe – nicht, ohne diesen mit viel Bewunderung zu bestaunen, als er sich eines Tages vor Salvador zu Waschen beginnt.
Es dauert eine Weile, bis man herausspürt, wo Dolor y gloria hinwill – die zweite Hälfte des äusserst schön gefilmten Dramas ist deutlich stärker, zum Beispiel, wenn Salvador auf eine ehemalige Liebschaft trifft, mit der er eine bis heute prägende Verbindung hat. Auch sind die Rückblenden in die Kindheit weitaus fassbarer als die Szenen im Hier und Heute, in denen Salvador – der es sich aufgrund der einschneidenden Schmerzen seiner diversen Krankheiten nicht mehr zutraut, Regie zu führen, und deshalb auch nichts mehr schreibt – in seiner stylischen Künstlerwohnung in Madrid der Vergangenheit nachhängt. Eigentlich nicht ganz unpassend, ist dies doch der Wahrnehmung entsprechend, dass wenn das Leben allmählich zu verblassen beginnt, die Erinnerungen dafür umso lebhafter werden. Vielleicht auch im Zuge dessen überwiegt in Dolor y gloria deutlich der Schmerz gegenüber der Herrlichkeit. Almodóvars 21. und erster wirklich persönlicher Film richtet sich dann wohl auch hauptsächlich an Fans des Regisseurs, die am Menschen hinter seinen Filmen interessiert sind – und seine Leidenschaft für das Kino verstehen möchten, die er in Dolor y gloria eindrücklich und wunderschön darlegt.
Dein Film-Rating
Kommentare
Einfühlsamer Film zum Verstehen der Motivation eines Regisseurs. Wunderbare Penélope Cruz. Interessante Bilder. Man braucht aber eine ganze Weile, bis sich die Story im Film erschliesst. Ich hatte teilweise Mühe, mit den Untertiteln zu folgen.
Als einem, der nicht viele Almodovar-Filme kennt - bin also kein Insider - mir hat der Film gut gefallen. Die Szene mit den Animationen (zur Krankheit und Biografie) ging, lesend mit den Untertiteln, leider fast zu schnell...
Typisch diese kräftigen Farben; auch eindrücklich die Wohnung welche 1:1 nachgestellt wurde. Sonst hat mich dieser Film vom Almodovar gar nicht überzeugt, leider.
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