Honeyland Nord Mazedonien 2019 – 85min.

Filmkritik

Am Puls der Zeit

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Die in anmutigen, malerischen Aufnahmen schwelgende Doku Honeyland ruft zu einem respektvollen, nachhaltigen Umgang mit der Natur auf und könnte daher kaum aktueller sein.

Die Imkerin Hatidze führt im nordmazedonischen Gebirge ein einsames, aber zufriedenes Leben in Abgeschiedenheit. Der Alltag ist zwar hart, zumal Hatidze auch noch ihre schwer kranke Mutter pflegt. Dennoch geniesst sie das Leben inmitten der Natur und mit ihren Bienen, denen sie stets die Hälfte ihres Ertrages überlässt. Mit der anderen macht sie sich gelegentlich in die Stadt auf, um den Honig zu verkaufen. Die Idylle wird gestört, als eine Grossfamilie mit ihren Nutztieren in die Nachbarschaft zieht. Anders als Hatidze betrachten die Neuankömmlinge den Honig nämlich vor allem als einträgliches Verkaufsgut.

Ljubomir Stefanov und Tamara Kotevska widmen sich in ihrem ersten gemeinsamen Film einer vom Aussterben bedrohten Lebensweise. Es geht um ein entbehrungsreiches, einfaches Dasein im Einklang mit der Natur. Hatidze haust an einem abgeschiedenen, von weiten Feldern umgebenen Ort, der als Gegenpol zu unseren schnelllebigen, von medial reizüberfluteten Menschen bevölkerten westeuropäischen Metropolen fungiert. Hatidze lebt von Tag zu Tag, erweist sich trotz der Armut aber als erstaunlich lebensfroh und optimistisch: Da singt sie während der Arbeit schon mal ein paar fröhliche Lieder und blüht in den Gesprächen mit den Kunden auf dem Markt in Skopje sichtlich auf.

Honeyland wirkt aufgrund des Verzichts auf Interviews und Kommentierungen stellenweise wie ein Spielfilm, der über gescriptete Elemente verfügt, aber: Alles ist echt, nichts gespielt. Für den mit anmutig-poetischen Landschaftsaufnahmen ausgestatteten Film ist es ein immenser Gewinn, dass sich alle Protagonisten (allen voran Hatidze) jederzeit authentisch und ungekünstelt verhalten. Sie scheinen die beobachtende Kamera nicht wahrzunehmen.

Darüber hinaus setzen Stefanov und Kotevska ihre Sound-Effekte und Geräuschkulissen (Motoren, Bienensummen, Kindergekreische) wohl dosiert und sehr subtil ein. Überhaupt gehen die beiden sehr feinfühlig und besonnen vor, nicht zuletzt im Hinblick auf die vermittelten Botschaften. Auf unterschwellige Weise und mit Hilfe passender Allegorien verweisen sie auf einige der drängendsten Probleme unserer Zeit: So stehen das Eindringen der Familie in das Leben von Hatidze sowie das Gebaren des Vaters stellvertretend für das rücksichtslose, Ressourcen-verschwendende Verhalten des Menschen, der sich die Natur aus Profitgier zu eigen macht. Und Hatidzes Kampf um das Gleichgewicht der Kräfte sowie ihr behutsamer Umgang mit ihrem Bienenvolk sind eine Entsprechung dafür, wie fragil das Miteinander von Mensch, Tier und Natur doch ist.

05.02.2020

4.5

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