Le milieu de l'horizon Schweiz 2019 – 90min.
Filmkritik
Familiäre Fesseln
Mit schnörkelloser Direktheit und in exquisiten, fein durchkomponierten Bildern erzählt Le milieu de l’horizon von unterdrückten Sehnsüchten und dem Wunsch nach Freiheit.
Sommer 1976: Europa erlebt eine kaum zu ertragende Hitzewelle. Auf dem Bauernhof seiner Eltern (Laetitia Casta, Thibaut Evrard) verbringt der junge Gus (Luc Bruchez) seine Ferien mit Tagträumen und der Arbeit auf dem Hof und im Stall. Die Emotionen kochen hoch, als eine Freundin von Gus‘ Mutter, die lebenslustige Cécile (Clémence Poésy), immer öfter zu Besuch kommt. Alle Beteiligten geraten allmählich in einen Strudel aus Eifersucht, Missgunst und verletzten Eitelkeiten.
Von der ersten Minute an setzt Regisseurin Delphine Lehericey auf beeindruckende Landschaftsaufnahmen und eine kraftvolle Bildsprache. Die stark durchkomponierten, erlesenen Aufnahmen vergegenwärtigen dem Zuschauer dabei vor allem die sengende Hitze. Lehericey verstärkt dies noch, indem sie in der Farbgebung besonders auf Gelbtöne setzt. So wirkt alles noch heller und heisser. Die um sich greifende Wärme ist förmlich greif- und spürbar, wenn die Sonne durchgehend unerbittlich auf die ausgedörrten Felder und vertrockneten Landstriche scheint.
Daneben erzählt der in Nordmazedonien gedrehte Film nachdrücklich vom allmählichen Zerfall einer Familie, in der sich fast alle Mitglieder nach einer Flucht aus dem zermürbenden Alltag sehnen. Unter der harten Arbeit, der Strenge des Vaters und den familiären Fesseln leiden in erster Linie der sensible Gus (ausdrucksstark und glaubwürdig: Luc Bruchez) und seine Mutter. Für sie erweist sich die Begegnung mit der lesbischen, unbekümmerten Cécile als schicksalhaft. Ihr wird klar: Es gibt noch etwas anderes auf der Welt als Kindererziehung, Hausarbeit und ein Leben an der Seite eines verbitterten, zu Wutattacken neigenden Mannes.
All die mit diesen Veränderungen einhergehenden Ängste und Unsicherheiten auf Seiten der Figuren (Gus etwa hat die grosse Befürchtung, seine Mutter zu verlieren), arbeitet Lehericey sorgsam und mit Einfühlungsvermögen heraus. Nicht ganz einfach macht sie es dem Zuschauer allerdings, Sympathien und Mitgefühl für die Figuren zu entwickeln. Gerade für die männlichen. Das unausgeglichene Gemüt des Vaters, der wie ein herrischer Patriarch auftritt, wurde bereits erwähnt. Hinzu kommen zwei respektlos und unflätig auftretende Landwirte aus der Nachbarschaft, ein griesgrämiger Grossvater und Gus‘ Bruder, der auch schon mal die Kontrolle über seine Emotionen verliert – und über seine sexuellen Triebe. Hinzu kommt, dass das Finale des Films in seiner Dramatik sowie Emotionalität übertrieben und erzwungen erscheint.
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Kommentare
Bildstark, sensibel, emotional.
Leider hatte die Filmbesprechung auf SRF2Kultur -Spoileralarm- eine dramatische Wende verraten.
Ich verstand es im Film als Cousin, in der Besprechung oben steht Bruder. Wie auch immer.
Und so schlecht kommt der Mann nicht weg - er ist anfangs aufmerksam, und wächst erst langsam in die arge Rolle - mit gegentönen auch. Als er Gus sagt, mach was du willst - diese Art Bauererei führt wohl zu nix....… Mehr anzeigen
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