Parasite Korea, Republik (Süd) 2019 – 132min.

Filmkritik

Die Feinde in meinem Haus

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Zwei Jahre nach seiner internationalen Netflix-Produktion Okja kehrt Bong Joon-ho nach Südkorea zurück – und findet mit Parasite zu neuer Höchstform.

Wer – vom Titel ausgehend – mit einem weiteren Monsterfilm des Südkoreaners rechnet, dürfte von Bong Joon-hos Parasite womöglich enttäuscht sein. Zumindest sind die Monster in diesem Fall keine seltsamen Wesen, sondern niemand anderes als die eigenen Mitmenschen. Wobei sich diese Erkenntnis hier erst nach und nach einstellt.

Zunächst einmal beginnt der Film, als würde er die Richtung eines potentiellen Sozialdramas einschlagen. Eine vierköpfige Familie – Vater, Mutter und zwei erwachsene, noch zuhause lebende Kinder – kämpft in einer mit Kakerlaken geteilten Souterrain-Wohnung am Existenzminimum ums Überleben. Als der Sohn von einem Freund vermittelt die Chance bekommt, der Tochter einer reichen Familie Englisch-Nachhilfe zu geben, wittert er seine grosse Chance. Und das nicht nur für sich selbst.

Mit viel betrügerischer Raffinesse verschafft er erst seiner Schwester eine Anstellung als Kunsttherapeutin für den Jüngsten, dann kommen – jeweils unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – auch der Vater als Fahrer und die Mutter als Haushälterin unter. Doch kaum hat man das Gefühl, die eine Familie verdränge die andere zusehends aus ihrem eigenen Haus und Leben, schlägt die Geschichte eine neue Volte. Und noch eine. Und noch eine...

Man kann nur staunen, wie Bong Joon-ho nicht nur zwei Stunden lang eine Überraschung nach der nächsten aus dem Hut zaubert, sondern scheinbar mühelos Spannung und Spass jongliert und nebenbei die zahllosen seiner Geschichte innewohnenden Bedeutungsebenen und Themen in geradezu perfekter Balance hält. Sämtliche Schauspieler in Parasite, darunter Bong-Veteranen wie Song Kang-ho, Choi Woo-shik oder Lee Jeong-eun, sind erstklassig, genau wie Hong Kyung-pyos Kameraarbeit, die sowohl das Designer-Luxusanwesen als auch heruntergewirtschaftete Kellerräume gleichermassen bis in die letzte Ecke für sich zu nutzen weiss.

Nichts allerdings beeindruckt an diesem virtuosen, anspielungsreichen und höchst komplexen Film, der im diesjährigen Wettbewerb der Filmfestspiele in Cannes aus einem ohnehin starken Wettbewerb noch herausstach, so sehr wie die Tatsache, dass er bitterböse Betrüger-Satire, packender Eindringlings-Thriller und verzweifeltes Drama über Klassenunterschiede und gesellschaftliche Missstände gleichzeitig ist.

06.08.2019

5

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Kommentare

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pascale_siegenthaler

vor 4 Jahren

Absolut katastrophal und barbarisch, habe noch nie so einen schlechten Film gesehen!


hyper80

vor 4 Jahren

Nun kam auch ich dazu mir den diesjährigen Oscargewinner anzusehen. Optisch ist der Film ohne Frage ein kleines Meisterwerk. Die Bilder und die Stimmung des Films sind sehr gelungen - wobei sich der Film meiner Meinung nach teilweise etwas in die Länge zieht. Joon-Ho hat es geschafft, unerwartete Wendungen einzubauen. Sarkastisch auf vielen Ebenen. Der Schluss war intensiv und mir doch nicht ganz schlüssig. Bei Art-Kino erhoffe ich mir dann doch gerne eine Botschaft dahinter. Wobei die Kernaussage des Films klar ist: Niemand erkämpft sich seinen Weg ganz alleine ohne andere zumindest ein bisschen auszunutzen. Dies macht uns alle zu Parasiten.Mehr anzeigen


Barbarum

vor 4 Jahren

"Parasite" ist ein abwechslungsreicher Sozialkommentar mit genauso einer Komödie entsprechenden Elementen, aber ebenso Elementen eines Thrillers. Dann jedoch ist er zuweilen auch relativ plump und weist einige Ungereimtheiten auf, was das Vergnügen schmälert.

Zuletzt geändert vor 4 Jahren


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