Just Kids Frankreich, Schweiz 2019 – 103min.
Filmkritik
Die Scherben eines jungen Erwachsenenlebens
Just Kids von Christophe Blanc ist ein Coming-of-Age-Film über einen Jugendlichen, der urplötzlich ganz viel Verantwortung übernehmen muss. In der Hauptrolle kehrt Kacey Mottet Klein ein Jahr nach L'Adieu à la nuit auf die Grossleinwand zurück.
Jack (Kacey Mottet Klein) fungiert als Ersatzvater für Mathis (Andrea Maggiulli), seinen kleinen Bruder. Denn deren Mutter wurde von einer Krankheit eingeholt, und ihr Vater, der eine wilde Vergangenheit hat, verschwindet spurlos. Jack muss deshalb gleich zwei abwesende Elternteile ersetzen – doch wie macht man das, wenn man selbst gerade eben der Pubertät entflohen ist? Wiegt die Last seines kleinen Bruders zu schwer auf seinen Schultern?
Eine Zigarette folgt der nächsten, ein feuchtfröhlicher Abend dem nächsten. Eine schwierige Ausgangslage für Jack, um Mathis ein gesundes Umfeld zu bieten. Der junge Mann, selbst kaum volljährig, arbeitet als Verkäufer bei FNAC. Eine Laufbahn an der Universität erschien ihm illusorisch und fad: "Ich wollte etwas Konkretes", verteidigt er sich.
Er wirkt mehr wie ein Junge als ein Mann, ist gebrandmarkt vom Tod seiner Mutter. Das Fass zum Überlaufen bringt das spurlose Verschwinden seines Vaters. Jack ist vom Tod gezeichnet, er spürt ihn überall im Haus der Familie. Es frisst ihn innerlich auf, bricht ihm das Herz. Er spielt den Erwachsenen, setzt sich eine Maske auf; es gibt keinen Platz für Emotionen, keine Zeit, um das Verschwinden seiner Eltern zu betrauern.
Wenn sein Bruder ihn also fragt, wie er es schafft, nicht vor allen Leuten zu weinen, bringt er ihm diese "Masken"-Technik bei. Diese manchmal verheerende Introvertiertheit, um seine Trauer hinter einer Fassade zu verstecken, ist ein schwerwiegender Fehler für ein Kind, das mitten in der Entwicklung steckt. Dieses Detail legt den Grundstein für eine Geschichte, welche die Komplexität von Erziehung zum Ausdruck bringt und ein Kind auf dem stetigen Pfad des Lernens begleitet.
Eine Geschichte, die Blanc wie eine Coming-of-Age-Story aufzieht, wie eine Fabel, die aus Schmerz und Tränen besteht. Jack ist die wackelnde Komponente dieses Enigmas: Ein junger Erwachsener, der mit der Trauer kämpft, selbst desorientiert ist, während sein Bruder sich darauf verlässt, von ihm an die Hand genommen zu werden. Das Duo, das nicht vorbereitet ist auf die Radikalität des Lebens, hat das Bedürfnis zu verstehen, warum dieses sie so schlecht behandelt.
Just Kids verfügt über unbestreitbare Qualitäten, hat aber Mühe, diese vollends auszuschöpfen. Kacey Mottet Klein wirkt ein wenig forciert: Es gelingt ihm nicht, genügend Chemie aufzubauen mit Andrea Maggiulli, worunter der ganze Film leidet. Man könnte die Beziehung zwischen den beiden sogar als etwas oberflächlich bezeichnen. Es fehlt eine Effizienz, die bei Mommy de Dolan Wunder gewirkt hat, oder wie sie in Emmanuelle Bercots La Tête Haute zu finden ist. Es fehlt ein Schauspieler, der vor der Kamera um sein Leben spielt – denn Mottet Klein gelingt das nicht. Es fehlt ein gewisser Biss, eine Dringlichkeit, ein Instinkt für seine Figur, die einen als Zuschauer überwältigt.
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