Maison de retraite Frankreich 2020 – 97min.

Filmkritik

Aufstand der Senioren

Filmkritik: Laurine Chiarini

Co-Autor, Co-Produzent und Hauptdarsteller: Nie zuvor war Kev Adams so stark an einem Film beteiligt wie bei «Maison de retraite», eine Komödie über das dritte Alter, welche die ganze Familie zum Lachen, aber auch zum Nachdenken bringen wird.

Der 30-jährige Milann (Kev Adams) ist ein recht sympathischer Loser, der sich von Job zu Job hangelt und bei seinem Jugendfreund einquartiert ist. Als er sich eines Tages im Supermarkt, in dem er arbeitet, besonders über eine ältere Kundin aufregt, muss er 300 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Pech gehabt: Er, der «alte Leute hasst», wie er selbst sagt, wird in ein Altenheim namens «Mimosa» geschickt, um dort überall auszuhelfen, wo es nötig ist. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickeln sich nach und nach Freundschaften zwischen einigen Bewohnern und dem jungen Mann, der hinter der scheinbar ruhigen Fassade des Altenheims eine dunkle Verschwörung aufdeckt.

Beginnen wir zunächst mit der Besetzung Kev Adams schafft es, Jean-Luc Bideau, Gérard Depardieu und den Tennisspieler Stan Wawrinka (der übrigens auch als Produzent beteiligt ist) in einem Film zu vereinen, zusätzlich zu all den Seniorenschauspielern und -schauspielerinnen, die dem französischsprachigen Publikum wohlbekannt sind und die in dem Film mitspielen. Dazu gehören Firmine Richard, Madame Chanel in «Huit Femmes» von François Ozon, oder Mylène Demongeot, die durch ihre Rolle als Verlobte von Jean Marais in der Fantomas-Reihe bekannt wurde. Die Schauspieler zögern nicht, ihre Rolle zu würdigen, ob sie nun einen pensionierten Boxer (Gérard Depardieu) oder eine Geliebte (Marthe Villalonga) spielen. Und dabei wirft der Film ganz nebenbei sehr aktuelle Fragen über den Platz von Senioren in der Gesellschaft auf.

Es überrascht nicht, dass die meisten Gags vorhersehbar und sogar einfach sind: die besessene alte Dame, der Grossvater, den man auf der Toilette vergisst, oder derjenige, der seinen Namen zum zwanzigsten Mal wiederholt, weil sein Gedächtnis nachlässt. In den ersten Augenblicken wird jeder, der mindestens einmal einen Fuss in ein Pflegeheim gesetzt hat, vertraute Szenen wiedererkennen. Aber die Handlung nimmt die Züge eines Abenteuerfilms an, wenn man Zeuge eines geheimen Treffens von sieben Heimbewohnern wird. Denn in «Mimosas» stimmt etwas nicht, was Milann bald bemerkt, angefangen mit der absoluten Einsamkeit der Bewohner, die weder Besuch noch Freigangsrecht haben. Es beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem jungen Mann und der Seniorengruppe.

Bei der Vorbereitung des Films stützen sich Regisseur Thomas Gilou und Kev Adams unter anderem auf eine Studie aus dem Jahr 2010, die zu dem Schluss kam, dass in 60% der französischen Pflegeheime mindestens ein Betrug an den Pflegebedürftigen stattgefunden hatte. Die Misshandlung älterer Menschen ist ein übliches Problem in der Gesellschaft. Neben der finanziellen Erpressung können die üblichen Misshandlungen von Senioren viele verschiedene Formen annehmen. Meistens sind sie hinterhältig und auf den ersten Blick kaum erkennbar. Übermäßige medizinische Versorgung (damit sie «stillhalten»), Junkfood und mangelnde Abwechslung auf dem Speiseplan, die Nichtanerkennung ihrer Sexualität und das Verbot auszugehen, sind nur einige der Misshandlungen, die der Film aufzeigt. So ist «Maison de retraite» zwar nicht das Meisterwerk des Jahres, aber eine scheinbar nette Komödie, die nicht völlig umsonst ist.

Übersetzung aus dem Französischen von Laura Chiarini durch Alejandro Manjon.

23.05.2022

3

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Kommentare

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Filmenthusiast

vor 2 Jahren

Nach der x-ten Iteration verlieren Klischee-Filme all ihre Reize und man sitz lustlos im Kino, sich fragend, was zum Teufel man sich da eigentlich anschaut?


as1960

vor 2 Jahren

In "Maison de retraite" muss ein ständiger Versager in einem Altenheim gemeinnützige Arbeit verrichten. Dabei lernt er etwas für das Leben und findet Sinn und Freunde. Das ist wahrlich kein sehr origineller Plot, und die eigentlich wichtige Botschaft, dass ältere Menschen abgeschoben und ausgenutzt werden können, geht etwas unter. Trotzdem: Der Film hat seinen Charme und WitzMehr anzeigen


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