The Green Knight Irland, USA 2020 – 126min.
Filmkritik
Die unweigerliche Reise ins Innere
Mit «The Green Knight», der auf einem überlieferten Gedicht der Arturseptik aus dem 14. Jahrhundert basiert, findet Regisseur David Lowery («A Ghost Story») nach mehreren Verirrungen im Mainstream wieder zu seinen Arthouse Wurzeln zurück. Herausgekommen ist ein eigenwilliges Werk, welches durchaus sehenswert ist.
Am Weihnachtsabend nehmen die Feierlichkeiten auf Schloss Camelot ein jähes Ende, als eine Gestalt den Thronsaal betritt. Ein gigantischer Grüner Ritter (Ralph Inesonerson) weist dem König zunächst höflich seine Ehrerbietung, bevor er ihm ein Spiel vorschlägt: Wer von seinen Rittern den Mut aufbringt, der darf an Ort und Stelle einen Schlag gegen ihn führen. Die einzige Bedingung: sollte er diesen überleben, dann müsse er sich genau ein Jahr später in der Grünen Kapelle einfinden, wo der Grüne Ritter seinerseits den Schlag erwidern dürfe. Gawain (Dev Patel) ist der Neffe König Arthurs, der sich bisher in den Augen seines Königs und seiner berühmten Waffenbrüder noch am wenigsten durch große Taten hervorgetan hat und nimmt daher die Herausforderung an. Zufrieden neigt der Grüne Ritter sein Haupt, Gawain schwingt das Schwert. Ein mächtiger Hieb und der gewaltige Kopf fällt zu Boden. Doch kurz darauf erhebt sich der Körper des Grünen Ritters wieder, nimmt den abgetrennten Kopf unter den Arm und verlässt den Thronsaal, nicht ohne noch einmal an die Abmachung zu erinnern. Ein Jahr später sieht sich Gawain mit seinem Schicksal konfrontiert und beginnt seine beschwerliche, existenzielle Reise durch die raue Natur Englands, die den vermeintlich edelmütigen Gawain auf seiner Suche immer weiter zur unweigerlichen Erkenntnis seines wahren Ichs treibt.
«The Green Knight» wurde von dem Indie-Studio A24 produziert, dementsprechend haben wir es hier weniger mit einem klassischen Heldenepos, sondern mit einer meditativen Reise ins eigene Selbst zu tun. David Lowery nimmt sich einige Freiheiten raus und schert sich ziemlich wenig darum, eine zugängliche und kohärente Narrative zu bedienen. Stattdessen verfolgen wir in langen Einstellungen den Protagonisten Gawain, auf dem Weg in sein zwangsläufiges Verderben. Auf seiner Reise, die in beinahe zusammenhanglosen Kapiteln erzählt wird und oftmals mehr Fragen aufwirft als beantwortet, ist die Geschichte angenehm reduziert und intim gehalten. Wer für unterschiedliche Interpretationen empfänglich ist, wird sich hier zudem einiges rausziehen können, von Abrechnungen mit dem Ehrbegriff und Männlichkeit bis hin zu Umweltallgorien.
Dev Patel überzeugt mit einer von starker Tragik geprägten Performance und auch der restliche Cast um Alicia Vikander (in gleich zwei Rollen) und Joel Edgerton fügen sich gut in das Gesamtbild ein. Die durchkomponierte Bildgestaltung von Kameramann Andrew Droz Palermo ist beeindruckend, selbst wenn manche Einstellungen aufgrund der stets perfekt ausgeleuchteten Bilder eine gewisse Dreckigkeit vermissen lassen. Ansonsten stimmt vom Kostümbild, dem Set Design und den für das vergleichsweise geringe Budget überragenden Effekten alles, besonders hervorgehoben werden muss jedoch das fantastische Sounddesign sowie der, zwar nicht gerade sparsam eingesetzte, aber jederzeit eindringliche Soundtrack von Daniel Hart. Irgendwo zwischen klassischen Streichern und elektronischen Synths, schafft er ein stimmiges Klangbild, welches das Gesamtwerk enorm bereichert.
David Lowery bewegt sich in einem Genre das zunehmend zum Klischee behafteten Action Kino degradiert wird, geht aber bewusst einen anderen Weg. Eine willkommene Abwechslung, die längst überfällig ist. Das Problem ist nur, dass «The Green Knight» auf der Oberfläche auch der nächste Fantasy-Action-Vertreter sein könnte und wenn man das nun erwartet, wird es zwangsläufig frustrierend. Tatsächlich hätte der Film aber sogar gerne noch weiter gehen können, ist er nicht annähernd so sperrig wie ihm teilweise vorgeworfen wird. Als Inspirationsquelle hat David Lowery in einem Interview unter anderem auf Andrei Rublev (1966) von Meisterregisseur Andrei Tarkovsky verwiesen, verglichen damit wirkt «The Green Knight» natürlich mehr als zugänglich. Trotz des unfairen Vergleichs, die selbe Finesse oder gar meditative Sogkraft seines Vorbilds erreicht er natürlich nie und bei all seinen Qualitäten, bietet der Film auch reichlich Angriffsfläche. Nach manch einer Dauerbeschallung von pathetischen Dialogen sowie wenig nennenswertem Inhalt ist es nur verständlich, wenn man irgendwann abdriftet. Letztlich ist das aber alles nebensächlich, da durch die gekonnte Inszenierung Momente erzeugt werden, die auch nach der Rezeption noch nachwirken, wenn man sich denn darauf einlassen will.
«The Green Knight» ist eine etwas andere und audiovisuell eindrucksvolle Adaption geworden, die sich dankenswerterweise gängigen Sehgewohnheiten widersetzt. Dieses atmosphärisch dichte und mit reduziertem Tempo erzählte Herzensprojekt mag polarisieren und einiges an Substanz vermissen lassen, bereichert allerdings auch das Genre mit einem längst überfälligen, anderen Ansatz.
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Kommentare
Nach etwas in eigener sache saal7 im westside kino bern ist nicht das erste mal das wir dort den saal 7 nach 20minuten verlassen haben...
Machart ist gut, aber die halb erzählten Geschichten fast nervtötend langweilig. Der Trailer schürte da andere Erwartungen. Selber schuld.
Gar nicht selber Schuld. Es ist eine Frechheit was einem da geboten wird. Im Trailer wurde der "Film" bewusst anderst dargestellt, da sonst keiner ein Ticket kaufen und die Zeit investieren würde !
Zuletzt geändert vor 3 Jahren
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