The Vigil USA 2019 – 88min.
Filmkritik
Schmerz als Einfallstor
Ein Debütwerk mit spannendem Hintergrund: In seinem Horrordrama The Vigil schickt Keith Thomas einen jungen Mann in den Kampf gegen eine unheimliche Macht aus dem jüdischen Volksglauben – und erzählt dabei auch etwas über den Holocaust und den leider noch immer grassierenden Antisemitismus.
Das Subgenre des Besessenheitsfilms ist – dafür reicht ein Blick auf das The Conjuring-Universum aus – nach wie vor fester Bestandteil des Horrorkinos. Viele Geschichten, in denen Menschen von Dämonen bedrängt werden, bewegen sich in einem christlichen, vor allem katholischen, Umfeld. Keith Thomas siedelt seine erste abendfüllende Regiearbeit The Vigil hingegen in einem jüdischen Kontext an und verbindet damit inhaltliche Ambitionen, die er allerdings noch stärker hätte umarmen können.
Yakov (Dave Davis) hat sich zu einem Neuanfang entschlossen. Jenseits der streng orthodoxen Gemeinde, zu der er einst gehörte, will er sich ein eigenes Leben aufbauen und besucht dafür eine Gruppe, die ihn und andere „Aussteiger“ bei der Eingliederung in die Gesellschaft unterstützt. Als sich eines Abends sein früherer Rabbiner (Menashe Lustig) mit einer Bitte an ihn wendet, ist der junge Mann zunächst wenig begeistert. Da er dringend Geld benötigt, lässt er sich jedoch dazu überreden, für einige Stunden die traditionelle Aufgabe des Schomers, eines Totenwächters, zu übernehmen. Im Haus des Verstorbenen, auf den er aufpassen soll, begegnet er dessen demenzkranker Witwe (Lynn Cohen) und gerät schon bald ins Visier einer dämonischen Macht, die auf den Namen „Mazik“ hört.
The Vigil konzentriert sich fast ausschliesslich auf einen schummrig ausgeleuchteten Handlungsort und eine einzige Nacht, in der Yakov Zeuge unerklärlicher Ereignisse wird. Schon der Gedanke, einige Zeit mit einem Toten in einem Zimmer zu verbringen, dürfte bei manchen Zuschauern für Gänsehaut sorgen. Debütregisseur Thomas etabliert eine durchaus bedrückende Schauerstimmung, verlässt sich im Mittelteil aber zumeist auf standardisierte Horrorelemente, darunter auch die sogenannten Jump-Scares, die, begleitet von lauten Toneffekten, dem Betrachter buchstäblich ins Gesicht springen. Yakovs Albtraum ist routiniert in Szene gesetzt, wartet allerdings nicht mit besonders originellen, lange nachhallenden Gruselbildern auf.
Innovativer ist indes der Versuch, die unheimlichen Geschehnisse während der Totenwache mit einem persönlichen Trauma des Protagonisten und den leider allzu realen Schrecken des Holocaust und des Judenhasses zu verknüpfen. Obwohl der Film das damit verbundene emotionale Potenzial nur bedingt auszuschöpfen weiss, bringt er eine etwas andere Perspektive in das moderne Horrorkino ein.
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Kommentare
Ich war nicht unglücklich, dass nicht noch mehr Horror inszeniert worden ist. Und der eigentliche Horror waren die Rückblenden: Menschengeachter Horror.
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