De son vivant Frankreich 2021 – 123min.
Filmkritik
Die bewegende Erzählung vom Untergang eines Menschen
Emmanuelle Bercot bringt Catherine Deneuve und Benoît Magimel wieder vor der Kamera zusammen. Nach «La Tête Haute» im Jahr 2015 betrat die französische Regisseurin im vergangenen Juli den roten Teppich in Cannes, um ihren neuen Spielfilm vorzustellen. «De son vivants» ( auf Deutsch «In Liebe lassen») erzählt die Geschichte der letzten Monate eines Mannes, der an unheilbarem Krebs leidet.
Benjamin (Benoît Magimel) ist an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt, der ihm nur noch wenige Monate zu leben gibt. Nach der schmerzlichen Nachricht muss er die Kraft finden, weiter zu kämpfen, nicht um geheilt zu werden, sondern um die letzten Wochen seines Lebens so friedlich wie möglich zu verbringen. Umgeben von seiner besitzergreifenden, aufdringlichen Mutter (Catherine Deneuve) und seinem Arzt Dr. Eddé (Gabriel Sara), einem ebenso kompetenten wie emphatischen Krebsspezialisten, wird Benjamin mit seinen Ängsten konfrontiert und muss vor seinem Abschied Bilanz über sein Leben ziehen.
Nichts ist gerecht, wenn es um den Tod geht. Noch ungerechter ist es, wenn es zu früh zuschlägt. Benjamin ist erst 39 Jahre alt und hat noch sein ganzes Leben vor sich. In vier Jahreszeiten verfolgen wir das letzte Lebensjahr dieses Mannes, eines Schauspiellehrers, der seine Leidenschaft an seine Schüler weitergibt. Wir sehen, wie er sich in seinem Element, der Bühne, entfaltet, wo er seinen Schülern die Kunst beibringt, ihre Gefühle zu zeigen, sich gehen zu lassen. Und im Film geht es genau darum, sich selbst loszulassen. Selber zu akzeptieren, dass man nur noch ein paar Monate zu leben hat. Für ihn ist es an der Zeit, «den Schreibtisch seines Lebens zu räumen». Auch für seine Umgebung ist es an der Zeit so eine unerwartete Neuigkeit zu verarbeiten.
Mit ihrem neuesten Spielfilm bietet Emmanuelle Bercot ein bewegendes Melodrama. Es ist ein gequälter Film, der mehrmals unterbrochen wird, insbesondere durch den Gesundheitszustand von Catherine Deneuve. In «De son vivant» geht es nicht um Krankheit, nicht einmal um den Tod, sondern vielmehr um die Beziehung, die wir zu ihm haben. Wenn der Tod programmiert ist und die Bewertung eines Lebens notwendig wird, was bleibt dann von der eigenen Existenz übrig? Welche Spuren hinterlassen wir, wenn wir nicht mehr existieren? Was haben wir überhaupt erreicht?
Die französische Filmemacherin nähert sich dem Tod mit der Geschichte eines Mannes, dessen Leben von Reue geprägt ist. Benjamin bedauert, dass er zu gehorsam war und immer das getan hat, was von ihm erwartet wurde. Vor der allgegenwärtigen Mutter macht der Mann die bittere Feststellung, dass er gerne intensiver gelebt hätte. Seine letzte Rede an seine Studenten: «Seien Sie sich Ihrer Sache nicht so sicher. Probieren Sie etwas Neues, gehen Sie Risiken ein, machen Sie Fehler. Haben Sie keine Angst, sich lächerlich zu machen». Ist das nicht ein Ratschlag, den jeder befolgen sollte?
Sinnlich, intim und zuweilen bewegend pendelt «De son vivant» zwischen den Fluren des Krankenhauses und dem Theater, in dem er seinen Schülern seine letzten Kräfte anbietet. Der Patient, die Familie, die Freunde, aber auch das Pflegepersonal, hier gespielt dem wunderbaren Gabriel Sara, leiden alle auf ihre Weise unter der Tragödie.
Sanft und brutal zugleich schildert der Film den Schmerz und die Schwierigkeit, Abschied zu nehmen und andere gehen zu sehen. Aber auch die absolute Notwendigkeit, zu vergeben und Vergebung zu erfahren. Wir lernen die Bedeutung von «Danke», «Ich liebe dich» und «Tschüss».
Übersetzung aus dem Französischen von Emma Raposo durch Alejandro Manjon
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