L'immensità Frankreich, Italien 2021 – 97min.
Filmkritik
Die Suche nach der eigenen Identität
Emanuele Crialeses Film, der beim letzten Filmfestival in Venedig im Wettbewerb lief, ist eine leise Hommage an die Mutterliebe und die Identitätssuche der Heranwachsenden.
Anfang der 1970er-Jahre zieht die gesamte Familie Borghetti nach Rom. Obwohl sie keine Gefühle mehr füreinander haben, beschliessen die Eltern, zum Wohle ihrer drei Kinder zusammenzubleiben. Clara (Penélope Cruz), die von einer tiefen Melancholie geprägt ist, findet Trost in der Liebe zu ihren Kindern, zu denen auch ihre älteste Tochter Adriana (Luana Giuliani) gehört. Da sie sich nicht im richtigen Körper fühlt, stellt sich die Teenagerin bei ihrer Ankunft in der neuen Nachbarschaft als Junge namens Andrea vor.
Der italienische Regisseur Emanuele Crialese hat mit seinem Film eine kleine Blase der Wärme geschaffen. Zwischen Lachen und Weinen vereint sein neuester Spielfilm ein breites Spektrum an Themen in einer einfachen, aber dennoch sehr reichhaltigen Erzählung. Vor dem Hintergrund der Sehnsucht nach der scheinbaren Unbeschwertheit, die er selbst im Rom der 1970er Jahre geniessen konnte, verbindet Crialese geschickt das bittersüsse Porträt einer Familie, die am Rande des Zerbrechens steht, mit einer Identitätssuche auf Augenhöhe der Kinder. Dieser letzte Aspekt profitiert von der einzigartigen Perspektive Andreas, eines trans Jungen, die es ermöglicht, seine Fragen auf bildhafte und poetische, aber vor allem für alle zugängliche Weise anzugehen. In dieser Hinsicht ist die junge Luana Giuliani eine Entdeckung, obwohl ihre Figur in den meisten Teilen des Films ein mürrisches Verhalten an den Tag legt. Die Dichte des Films könnte sich aufgrund seiner kurzen Laufzeit als problematisch erweisen, da das Thema mehr Tiefe benötigt hätte.
Neben dieser Identitätsfindung beleuchtet «L'Immensità» ein weiteres Thema in Form eines wunderschönen Liebesbriefes an die Mütter. Mutig, standhaft, lachend oder beruhigend trotz eines toxischen Ehemanns - Crialese ehrt die Mutterfigur auf die schönste Art und Weise und beschert Penélope Cruz zudem eine ihrer schönsten Rollen! Die spanische Schauspielerin beweist einmal mehr die Bandbreite ihres Talents mit ihrer überwältigenden Fähigkeit, eine ungeheure Menge an Emotionen zu transportieren.
Das Ganze ist dank einer abwechslungsreichen Regie sehr schön ins Bild gesetzt und erlaubt sogar einige Traumreisen in die Fantasie des Teenagers, die mit der populären italienischen Musik der damaligen Zeit bestreut sind. Ohne grosses Brimborium und trotz einiger kleiner Schwächen liefert Emanuele Crialese mit grosser Aufrichtigkeit ein berührendes Werk, in das er spürbar sein Herzblut hineingesteckt hat.
Übersetzung aus dem Französischen durch Maria Engler
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Kommentare
Tatsächlich hätte der Film noch etwas mehr Länge ertragen.
Die Filmmusik gibt nicht nur ein Zeitgemälde ab, sondern untermalt im besten Sinn:
Auch mit Filmmusik (zeitgenössischer?) Liebesfilme: Doktor Schiwago (Filmmusik im Film - Kinoabspann), und mehrfach: Lovestory.
Was ich vermisste: Die Filmmusik von Ennio Moricone, die nur im Trailer zitiert wird. Hätte vielleicht die fehlenden Minuten ausgefüllt ;-)...… Mehr anzeigen
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