Reminiscence USA 2021 – 116min.

Filmkritik

Die Macht der Erinnerung

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Mit Westworld erschuf Lisa Joy eine der besten Science-Fiction-Serien unserer Zeit. Der Erfolg der Serie war es wohl auch, der es ihr ermöglichte, Warner Bros. von Reminiscence zu überzeugen. Denn großbudgetierte Filme, die nicht auf Comics, Romanen oder Spielenbasieren oder Teil von Franchises sind, meiden die großen Studios immer mehr. Sie bietet oberflächlich Science Fiction, tatsächlich ist «Reminiscience» aber ein waschechter Film Noir.

Jahre nach dem Krieg und dem Umweltdesaster, wegen dem Städte wie Miami leicht überflutet sind: Nick arbeitet mit einem besonderen Gerät, das früher für Verhöre eingesetzt wurde, ihm jetzt aber den Lebensunterhalt sichert. Mit ihm kann man die eigenen Erinnerungen noch einmal erleben, und zwar so, wie beim ersten Mal. Als Nick die mysteriöse Mae kennen lernt, verliebt er sich in sie. Doch dann verschwindet sie und er setztalles daran, sie zu finden, nichtsahnend, wer Mae wirklich ist.

Die Erinnerung ist vergänglich – das ist manchmal ein Segen, manchmal ein Fluch. In «Reminiscence» kann man jede Erinnerung wieder und wieder erleben. Niemals verblassen sie, niemals schwindet aber auch der Schmerz, alles bleibt einfach immer präsent. Das kann zu einer Droge werden, weil man nur noch in einem Moment leben will, was der von Hugh Jackman gespielten Hauptfigur nur zu bewusst ist. Auch Nick lebt von seinen Erinnerungen, die an eine Frau, die es niemals so gab, wie er sich an sie erinnert. Das ist der Kern dieses Science-Fiction-Films, der vom Erzählrhythmus, aber auch der Geschichte selbst eine Reminiszenz an den Film Noir der 1940er Jahre ist.

Die Geschichte hätte unter leicht veränderten Umständen auch damals funktioniert. Lisa Joys Werk ist eine Verbeugung vor der Schwarzen Serie, ein erfreulich komplex gestalteter Film, der zwischen gegenwärtiger Handlung und Erinnerung immer hin und her wechselt. Er ist elegant erzählt, immer spannend, aber niemals aufs Spektakel abzielend. Vielmehr hat Joy einen Film für ein Publikum abgeliefert, das eine ruhige, unspektakuläre Erzählweise zu schätzen weiß. Dabei ist nicht nur der Hintergrund vielschichtig, sondern die Figuren sind es auch. Sie alle tragen Ballast mit sich herum. Leben heißt auch Verlust, aber die Trauer ist es, ohne die das Glück nie so süß schmecken würde, wie es das tut.

«Reminiscence» ist vielleicht nicht unbedingt etwas für die große Masse. Weil der Film Noir auch keine Spielart des Mediums ist, mit der man ein junges Publikum ansprechen würde, ohne dass der große Erfolg im Kino aber nur schwer möglich ist. Zum Goldesel wird der Film für Warner Bros. also kaum werden. Aber dies ist ein Werk, das Bestand haben wird. Eines, das es wert ist, dass man sich in all den kommenden Jahren daran erinnert.

24.08.2021

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 3 Jahren

Allgemeinplätze aus dem Poesiealbum Rosamunde Pilchers reissen die grösste Geduld in Fetzen, während Erinnerungen an bessere Science-Fiction-Epen und Film Noir-Klassiker angehäuft werden, denen „Reminiscence“ mit seiner verkrampften Erzählweise, durchdrungen von Kitsch, nicht gleichkommt.


grin

vor 3 Jahren

Die Atmosphäre der dystopischen Welt gefällt, doch wie die Erinnerungsmaschine funktionieren soll, wird nicht mal mit Techbabble versucht zu erklären. Für die philosophische Frage, ob man die Vergangenheit besser vergessen oder erhalten soll, ob man in ihr oder der Gegenwart oder der Zukunft leben soll usw. ist das nicht so wichtig. Dass der Prozess im Film irgendwie visualisiert werden muss, ist klar, nur frage ich mich, ob das Wasser im Becken jeweils gewechselt wird zwischen den Kundinnen und was der Datenschutz dazu sagt, wenn man den Erinnerungen einfach zusehen und sie sogar abspeichern kann mit allem potentiellen Missbrauch, der ja auch geschieht. Die grosse Actionszene mit der Schiesserei fühlte sich fehl am Platz an, da völlig übertrieben, und die Prügelei gegen Ende wollte nicht mehr aufhören. Das ist der im Grund ernsthaften Geschichte eher abträglich und unnötig.Mehr anzeigen

Julia

vor 3 Jahren

Gut reflektiert. Ich habe mir nur gedacht, ob das Wasser da drin auch gemütlich geheizt wird😉😁


as1960

vor 3 Jahren

"Reminiscence - Die Erinnerung stirbt nie": Ganz sicher werde ich mich gerne an diesen in verschiedener Hinsicht besonderen Film erinnern. In einer apokalyptischen Zukunft finden Menschen Trost und Freude in der Erinnerung. Einiges erinnert an "Inception", aber "Reminiscence" ist ruhiger, dunkler, unheimlicher. Ein "Film Noir" im besten Sinne, mit einem tiegründigen Hugh Jackmann und einer geheimnisvollen Rebecca Ferguson als femme fatale. Die Story kann nicht ganz mir den Bildern und der Atmosphäre des Films mithalten, aber die Spannung und Faszination blieb stets im obersten Level.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 3 Jahren


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