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Das Maddock Manifest Schweiz 2022 – 86min.

Filmkritik

Das Maddock Manifest

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Der Performance-Künstler Benjamin Burger und der Theaterregisseur Dimitri Stapfer haben Burgers Bühnenstück «Das Maddock Manifest» für die Leinwand adaptiert. Ein mutiger Film, der experimentierfreudig die Grenzen von Autobiografie, Dokument und Fiktion verwischend von der kreativen Kraft des Theaters zeugt.

Auf dem Plakat an der Wand steht ein Premiere-Termin im März 2020. Später im Film, nachdem der Schauspieler Ben im Keller ein Radio entdeckt und dieses notdürftig zum Laufen gebracht hat, erfährt man, dass sich die Schweiz seit Mitte März im Lockdown befindet und alle kulturellen Einrichtungen geschlossen sind. Ben ist allein im Theater. Er schneidet sich auf der Toilette das Haar, geht in die Garderobe, zieht ein Kostüm an, betritt die Bühne, rezitiert vor leeren Rängen.

Nachdem dieser erste Auftritt durch das Klingeln eines Telefons gestört und abgebrochen worden ist, sieht man, dass Ben diesen aufgezeichnet hat. «Gescheitert» schreibt er aufs Band Nummer 234. Im Kasten liegen etliche ähnliche Bänder. «Ich glaube daran, dass Theater Verwandlung ist», hat Ben auf der Bühne gesagt, und dass sich jeder Mensch verändern könne. Abgesehen davon ist er auf der Suche nach einer «bestimmten Kombination von Wörtern, welche die Welt verändert». Was kann Theater und was ist Theater, lauten die Fragen, um die sich Bens Solostück und damit auch dieser Film dreht. Zugrunde liegt ihm der Tod des US-amerikanischen Performance-Artisten Hermann Maddock, der sich während seiner letzten Performance am 03.09.1998 das Leben nahm.

Der kaum bekannte Maddock und sein verschollenes Manifest sind die ersten von diversen Geheimnissen und Seltsamkeiten, mit denen dieser Film aufwartet. Es kommen darin des Weiteren vor: ein riesiger Pappfisch, eine Hundemaske und das bereits erwähnte Telefon, das ab und zu klingelt, aber keine Wählscheibe hat. Es spricht daraus die Stimme einer Frau, die sich als Enigma bezeichnet, mit Ben jeweils kurze Gespräche führt, ihm Fragen stellt oder ihn auf etwas aufmerksam macht. Etwa, dass er nun für lange Zeit oder vielleicht gar für immer nicht mehr vor Publikum spielen wird. Ab und zu taucht vor der Glastür des Theaters ein Hund auf.

Ben trinkt Champagner aus dem Kühlschrank im Foyer. Er ernährt sich von Popcorn aus der Maschine und von Süsswaren vom Kiosk. Manchmal döst er ein und findet sich wieder in einer verschneiten Traumlandschaft. Hier gibt es ebenfalls ein Telefon, dazu einen Wohnwagen und eine Frauenfigur mit Hundekopf, manchmal führt Ben mit ihr Gespräche. Gedreht hat man die Aussenaufnahmen im Winterlockdown im Tessin. Die im Theater spielenden Teile entstanden im Frühjahr im Theater Roxy im Birsfelden, wo Burger mit seiner Soloperformance «Das Maddock Manifest» im März 2020 tatsächlich hätte gastieren sollen.

Den Beschluss, das Bühnenstück für die Leinwand aufzubereiten, fassten Burger und der mit ihm befreundete Schauspielerkollege und Theaterregisseur Dimitri Stapfer in den ersten Tagen des Lockdowns bei einer Flasche Wein in Zürich. Gedreht hat man danach sehr schnell, mit kleiner Crew und halb fertigem Drehbuch; dass Burger die Hauptrolle spielt, dürfte manches erleichtert haben. Burgers intensive Präsenz bildet denn auch das Rückgrat dieses experimentell herrlich verspielten Films, der Autobiografisches, Dokumentarisches und Fiktion frech vermischt und dabei bisweilen zu surrealen und nachdenklich stimmenden Aussagen findet wie «Kunst ist eine Massenvernichtungswaffe».

25.01.2022

4

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