Gangubai Kathiawadi Indien 2022 – 152min.

Filmkritik

Die Mutter aller Prostituierten

Filmkritik: Teresa Vena

Nachdem Ganga von ihrem Verlobten an ein Bordell in Mumbai verkauft wird, ändert sie ihren Namen in Gangu ab und ruht nicht eher, bevor sie selbst zur Gangubai, zur Bordellmutter, wird, schliesslich gar zur Bezirksbürgermeisterin aufsteigt. Farbenfroh und mitreissend inszeniert der Film die Geschichte dieser real existierten Figur, die für menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen für die Prostituierten Indiens gekämpft hat.

Gangas (Alia Bhatt) Traum der grossen Karriere als Bollywood-Filmstar nimmt ein jähes Ende, als sie bei ihrer Ankunft in Mumbai von ihrem Verlobten an ein Bordell im Rotlichtviertel Kamathipura verkauft wird. Erst versucht sie, sich zu wehren, doch schliesslich bricht die skrupellose Puffmutter ihren Willen. Gänzlich verliert die junge Frau aber ihren Kampfgeist nicht und tauft sich in Gangu um. Fortan wird sie unter den gegebenen Umständen für sich einstehen. Dieses Feuer, gepaart mit ihrer aussergewöhnlichen Schönheit, tragen schnell Früchte, sie wird unter den Männern sehr beliebt und bringt dem Haus viel Geld ein. Sie sichert sich die Unterstützung des lokalen Mafiabosses Lala (Ajay Devgn), gewinnt die Wahl zur Bürgermeisterin des Bezirks und wächst zu einer einflussreichen Frau heran, die sich für das Wohlergehen der Prostituierten einsetzt.

Inspiriert ist der Film des indischen Regisseurs Sanjay Leela Bhansali vom Buch Hussain Zaidis «Mafia Queens of Mumbai», das Porträts unterschiedlicher, in Wirklichkeit existierten auf die eine oder andere Weise kriminellen Frauen enthält. Gangubai, die in den 1950er und 1960er Jahren im berühmten Kamathipura-Viertel geherrscht haben soll, ist eine von ihnen. Ganz nach dem Schema des klassischen Bollywoodfilms, in dem Musik, Gesang und Tanz durch die Handlung führt, wird die selbstlose Vorreiterin für die Rechte der Sexarbeiterinnen Indiens zur Heldin stilisiert. Für die Produktion wurde ein überwältigender Aufwand betrieben, wenn man die Ausstattung in Bezug auf die Kulisse, für die zwei Strassenzüge Mumbais rekonstruiert wurden, die Fülle prächtiger Gewänder in allen möglichen Farben und das Aufbieten einer riesigen Schar an Statisten betrachtet.

Dank einer dichten, abwechslungsreichen Inszenierung manövriert einen der Film mühelos durch seine stolze 152 Minuten Gesamtdauer hindurch. Die Tanzeinlagen sind zurückhaltend eingesetzt und brechen überhaupt nicht so abrupt mit dem restlichen Fluss der Handlung, wie man hätte befürchten können. Der Einsatz der Musik ist tragend, aber nicht aufdringlich, ganz im Gegenteil wirkt sie sowohl ansprechend wie anspruchsvoll. Der Film enthält für jeden etwas: Herzschmerz, Verbrechen, Humor. Das Gleichgewicht, das er aus dieser Mischung zu schaffen versucht, überzeugt. Dies funktioniert unter anderem auch dank der eindrücklichen Hauptdarstellerin Alia Bhatt, die zwischen melodramatischen, romantischen und humoristischen Szenen souverän und sympathisch hin- und herspringt.

Mit Sicherheit handelt es sich bei «Gangubai Kathiawadi» um eine Grossproduktion, die sich in erster Linie an ein breites Publikum richtet. Doch spricht er, auch wenn vereinfacht, ein wichtiges soziales und sozialpolitisches Thema an, das, nicht nur in Indien, noch heute diskutiert werden muss. Wenn er also neben seinem unzweifelhaften Unterhaltungswert noch die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Stellung der Frau anregen kann, ist er umso wertvoller.

22.02.2022

4

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