Saltburn USA 2023 – 127min.

Filmkritik

Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren

Maria Engler
Filmkritik: Maria Engler

Nach «Promising Young Woman» präsentiert die Drehbuchautorin und Regisseurin Emerald Fennell mit «Saltburn» einen exzessiven und mutigen Film über die Grenzen zwischen Arm und Reich. Oscarverdächtig spielt der Ire Barry Keoghan einen Studenten, der unbedingt dazugehören will.

Oliver ist neu an der Oxford Universität und findet nur schwer Anschluss. Mit seiner etwas merkwürdigen Streber-Ausstrahlung, seinem Stipendium und ärmerer Herkunft eckt er bei den Kindern reicher Eltern immer wieder an. Doch eines Tages entwickelt sich unverhofft eine Freundschaft zwischen Oliver und dem beliebten und steinreichen Felix. Nach dem Tod von Olivers Vater lädt Felix seinen trauernden Freund über den Sommer auf das Anwesen seiner Eltern ein. Doch in einem ständig wachsenden Netz aus Lügen und Intrigen ist nichts so, wie es scheint.

«Saltburn» ist nach «Promising Young Woman» der zweite Spielfilm, den die Regisseurin und Drehbuchautorin Emerald Fennell, die zunächst als Schauspielerin Karriere machte, inszenierte – und auch hier gibt es wieder jede Menge Potenzial für Diskussionen. Sichtlich inspiriert von Werken wie «Der talentierte Mr. Ripley», beleuchtet sie dieses Mal weniger das Thema Sexismus, sondern beschäftigt sich mit Klassismus und Machtgefällen zwischen Arm und Reich.

Aufwühlen darf dieses Machtgefälle die Hauptfigur Oliver Quick (Barry Keoghan), dessen vielschichtiger Charakter in «Saltburn» genüsslich seziert wird. Zunächst ein scheinbar armes Würstchen ohne Freunde, dafür aber mit jeder Menge Verstand, entwickelt er sich bald zu einem manipulativen und besitzergreifenden Tyrann, der sich an einer zum Scheitern verurteilten Freundschaft festklammert – unterhaltsam!

«Saltburn» ist eine bestechende, hypnotisierende Charakterstudie, die eine geradezu magnetische Wirkung entfaltet. Das liegt vor allem an der absolut furchtlosen Performance des irischen Schauspielers Barry Keoghan, der bereits in Filmen wie «The Killing of a Sacred Deer» oder «The Banshees of Insherin» sein Talent bewies. In «Saltburn» dominiert er nun in einer faszinierenden Hauptrolle und wirft sich mutig auch in ungewöhnliche Szenen.

Davon hat «Saltburn» nämlich einige zu bieten, während Oliver sich immer mehr in die emotionale und körperliche Sehnsucht nach seinem Freund Tom hineinsteigert. Ab und zu überschreitet der Film mit einer ungewöhnlichen Fixierung auf Körpersäfte aller Art die Grenze zum Ekel und schreckt auch vor bis ins Absurde sprudelndem Exzess nicht zurück. «Saltburn» bietet so jede Menge bisher Ungesehenes, das zwar hier und da zu verschreckten Zuckungen im Kinosessel führt, aber trotzdem niemals an Anziehung verliert – bis sich die Anspannung in einem Finale der Extraklasse entladen darf.

Ebenso beeindruckend wie surreal ist auch die herrschaftliche Kulisse von «Saltburn», in der die Superreichen ihr Dasein fristen. Mit Mut zur Übertreibung wird hier eine Gesellschaftsklasse vorgeführt, die jeglichen Bezug zur Realität verloren zu haben scheint und die sich aufgrund ihres Reichtums einbildet, Menschen wie Objekte behandeln zu können. Den schillernden Mittelpunkt dieses bizarren Familienkonstruktes bildet Toms Mutter Elspeth, die mit sichtlichem Spass und grosser Spielfreude von Rosamund Pike verkörpert wird.

Das einzige Manko an «Saltburn» ist eine etwas lästige Erklär-Sequenz gegen Ende, die recht Offensichtliches noch einmal ausformuliert und auf wenig Vertrauen der Filmschaffenden in die Intelligenz des Publikums schliessen lässt. Das bleibt allerdings der einzige Wermutstropfen in einem insgesamt fesselnden und mutigen Film, der einen tiefen Blick in die Psyche seines Protagonisten erlaubt und ganz nebenbei eine grosszügige Portion Kapitalismuskritik auftischt.

11.10.2023

4.5

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Kommentare

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CineMani

vor 10 Monaten

Murder on the Dancefloor: Zu dumm, wenn man seine Liebe erst leben kann, wenn der Partner gestorben ist. «Saltburn» bietet insbesondere während der ersten zwei Filmdrittel extrem viel Leerlauf, um gegen Schluss mit expliziten Bildern auf den Punkt zu kommen. Bis dann ist man aber schon fast eingeschlafen.Mehr anzeigen


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