CH.FILM

Omegäng Schweiz 2024 – 76min.

Filmkritik

Chrottepösche und Zibele

Gaby Tscharner
Filmkritik: Gaby Tscharner

Formt die Sprache unsere Sicht auf die Welt oder gar unsere Mentalität? Diese Frage wird im Dokumentarfilm «Omegäng» von einem Radiomoderator gestellt. Die Macher:innen des Films machen sich auf, um darauf eine oft interessante, teils witzige und gelegentlich sogar sozialkritische Antwort zu finden.

Es stellt sich heraus, dass die Schweiz nicht nur vom Röstigraben zweigeteilt, sondern auch vom Zibele oder Böllegraben getrennt wird und die Chrottepösche in Zürich von lauter Löwenzahn und Säublueme umringt sind. Die Schweiz ist reich an Dialekten, aber droht der Sprachvielfalt Gefahr, dem Hochdeutsch zum Opfer zu fallen? Regisseur Aldo Gugolz fragt Menschen wie die Kurator:innen des Schweizer Idiotikon, den Bauern auf der Alb oder die Rapperin auf der Bühne, was ihnen Mundart bedeutet.

«Dialekt ist eine Zeichen von Vielfalt, der linguistischen Biodiversität», erklärt der Autor Franz Hohler, dessen Geschichte vom «Totemügerli» in den 60er-Jahren beinahe den Berner Dialekt neu erfand. «Im Zeichen der Globalisierung ist das eigentlich erstaunlich.» Wie speziell die verschiedenen Dialekte sind, zeigen die Besuche bei Bauern wie Hans Rohner aus dem St. Galler Rheintal, der sich als wahrer Sprachexperte herausstellt. Er sammelt auch Zweimannsägen, die man heute aber Partnersägen nennen sollte, meint er. «Wegen dem huere Gender-Züg». Der Begriff «Gender» hat sich offenbar in die Mundart eingeschlichen.

Die urchige Stimmung wird durch die Geschichte des Migranten Awad Aman aus Eritrea unterbrochen, der als Bäcker im Kanton Uri Spitzbuebe, Pfaffehüetli und Vogelnäschtli herstellt. Guezli, die er machen, aber nicht aussprechen kann. Dafür geht er in den Sprachkurs "Urnerdialekt für Migranten", denn die Urner wollten mit ihm kein Hochdeutsch sprechen, erklärt die Lehrerin. Der Familienvater fühlt sich einsam und möchte seine Familie in die Schweiz holen. Aber dafür muss er 5200 Franken pro Monat verdienen. Für ihn eine astronomische Summe, von der er fürchtet, sie nie erreichen zu können.

Leider versäumt der Film, den Einfluss von Einwander:innen auf die Sprache zu beleuchten. Secondos zum Beispiel aus Familien mit italienischen, albanischen oder gar kubanischen Wurzeln wie die Rapperin Cachita, die im Film zwar singt und sich schminken lässt, aber nur wenig zu Wort kommt, prägen die Mundart enorm. Aber egal, was heisst denn jetzt Omegäng genau? Es stellt sich heraus, dass jeder der Befragten eine Meinung hat, aber keiner es wirklich weiss.

17.04.2024

3.5

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Kommentare

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freigut

vor 6 Monaten

Ein liebevoll gemachter Film, der ganz unterschiedliche Zugänge zu unseren Dialekten zeigt – vom Sprachwissenschafter und vom Schriftsteller über die Rapperin, die Chorleiterin und die Lehrerin bis zum Bauern. Das Schöne ist, dass der Film nicht belehrend sein will – er beobachtet nur.


thomasmarkus

vor 7 Monaten

Spoileralarm:

Die vielleicht etwas konstruiert wirkende Herleitung von 'ome gäng' durch Pedro Lenz (nur immer) wird von einer Berner Landfrau mit Sprachzitat aus Kindheit bestätigt, dies an Vorführung in Anwesenheit des Regisseurs. Hilfreich seine Erläuterunegn... Mängel oder Sonderbarkeiten des Film liegen auch an der Entstehung: Gestartet als 'Begleitfilm' zu Berner Dialektstudie, musste coronahalber Konzept geändert werden. omegäng also nicht am Anfang, sondern eher am End der Filmgenese entstanden...Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 7 Monaten


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