The Seed of the Sacred Fig Frankreich, Deutschland, Iran 2024 – 168min.
Filmkritik
Mohammad Rasoulof gibt der Jugend und den Frauen eine Stimme
Dem regimekritischen iranischen Regisseur Mohammad Rasoulof ist es gelungen, mit «The Seed of the Sacred Fig» einen der eindringlichsten Filme des Jahres zu inszenieren, der für die Filmfestivals in Cannes und Locarno und vor kurzem als Oscar-Beitrag für Deutschland ausgewählt wurde.
Rezvan (Mahsa Rostami) und ihre jüngere Schwester Sana (Setareh Maleki) leben mit ihren liebevollen, aber strengen Eltern in Teheran. Ihr Vater Iman (Misagh Zare) wird zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht befördert, was für ihn und seine Frau Najmeh (Soheila Golestani) ein Zeichen des sozialen Aufstiegs darstellt. Letztere erinnert ihre Töchter daran, sich tadellos zu verhalten und keine Unruhe zu stiften. Gleichzeitig beginnt eine riesige Protestbewegung der Bevölkerung das Land zu erschüttern.
Die Proteste sind eine Reaktion auf den Tod der Studentin Masha Amini, die im September 2022 wegen eines angeblich schlecht sitzenden Schleiers verhaftet und zu Tode geprügelt wurde. Mithilfe ihrer Smartphones und sozialer Netzwerke suchen Rezvan und Sana nach der Wahrheit und unterstützen die Bewegung, während ihre Eltern an die offizielle Darstellung glauben wollen. Eines Tages verschwindet die Dienstwaffe von Iman. Während er sich an die Absurdität seines Amtes klammert, das in Wirklichkeit darin besteht, willkürlich zum Tode verurteilte Personen zu bestimmen, dreht er durch und verfällt in Paranoia...
Zum Hintergrund: Mohammad Rasoulof wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, als er mitten in den heimlichen Dreharbeiten zu «The Seed of the Sacred Fig» steckte. Im Mai letzten Jahres musste er auf einer Reise, die er als «anstrengend und extrem gefährlich» beschrieb, zu Fuss durch die Berge aus seinem Land fliehen, um den Behörden zu entkommen. Nachdem er die Grenze überquert hatte, versteckte er sich an verschiedenen geheimen Orten, bis er schliesslich nach Deutschland gelangte, wo er seinen Film aus der Ferne fertigstellte. Der 51-jährige Filmemacher, der seit Jahren im Visier des Mullah-Regimes steht, erklärte, er wolle vor allem «die Geschichten über das, was im Iran passiert, weitergeben, und das ist etwas, was ich im Gefängnis nicht tun kann».
Ein Werdegang, der zwangsläufig einen Einfluss darauf hat, wie man seinen knapp dreistündigen Thriller wahrnimmt. Nach «There Is No Evil», einem Film, der 2020 in Berlin mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde und in dem die Todesstrafe anhand von vier menschlichen Geschichten angeprangert wurde, verwendet Mohammad Rasoulof nun die realen Bilder, die bei den Demonstrationen im Herbst 2022 gefilmt wurden, und baut sie in sein Familiendrama ein. Er zeigt ein zunächst harmonisches Zuhause, das dann rund um die Bewegung auseinanderbricht. Sana ist die rebellischste, sie ist das Symbol einer freien und aufmüpfigen Jugend. Inmitten dieser Aktualität nimmt «The Seed of the Sacred Fig» eine überraschende Wendung und verwandelt sich in einen explosiven Thriller, der Verfolgungsjagden, Entführungen und ein spannendes Versteckspiel miteinander verbindet. Grandios.
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