CH.FILM

Scheherazade Schweiz 2001 – 85min.

Filmkritik

Kammerspiel auf dem Zürichsee

Bruno Amstutz
Filmkritik: Bruno Amstutz

Eine kleine Yacht dümpelt auf dem Zürichsee. An Bord hat sie fünf Personen, die im Mikrokosmos des Bootes in immer neuen Konstellationen aufeinanderprallen. Der Jungfilmer Riccardo Signorell präsentiert mit "Scheherazade" ein Kammerspiel, welches das Potential eines Schweizer Films zeigt, der mit geringem Budget und einer guten Idee an den Start geht.

Ein Sommertag auf dem Zürichsee, die Sonne lacht und Boote kreisen. In dieser Idylle geniesst der Rohstoffhändler Peter Rehstahl (Jürgen Brügger) an Bord der Yacht 'Scheherazade' seinen Reichtum und die Gesellschaft der jungen Bikinischönheit Luise (Zoé Mikuleczky). Sein Frieden wird jedoch bald gestört, als seine rechte Hand Frank (Siegfried Terpoorten) und dessen Freundin Valerie (Antonia Beamish) mit Rehstahls Sohn Michael (Phillipp Stengele) im Schlepptau auftauchen.

Rehstahl empfindet seinen Sohn als Schande. Der erfolgreiche Geschäftsmann, der gerne mit Golduhr und dicken Zigarren protzt und stolz darauf ist, dass vor der Schraube seiner Yacht die gleichen Motoren tuckern wie in Centurion Panzern, sieht in seinem Spross einen verweichlichten Versager, der ausgerechnet Künstler werden will. Den Wunschsohn hat er in seinem ehrgeizigen deutschen Mitarbeiter Frank gefunden, den er als würdigen Nachfolger betrachtet. Nur ein Dorn steckt in Rehstahls Auge: Franks Freundin Valerie ist Engländerin und will sich nicht von ihrer Kunstgalerie in London trennen, um in die Schweiz zu ziehen.

Je mehr Alkohol unter der heissen Sommersonne fliesst, desto offensichtlicher brechen die schwelenden Konflikte zwischen den Protagonisten auf. Michael beobachtet mit Eifersucht das Wohlwollen, das sein Vater Frank entgegenbringt. Dieser wiederum verdächtigt Valerie, seine Ambitionen auf Rehstahls Nachfolge zu torpedieren, weil sie sich weigert, auf dem Altar von Franks beruflichem Ehrgeiz ihr selbständiges Leben und ihre Galerie zu opfern. Schweigend in der Mitte steht Luise, die lustlos ihren achtzehnten Geburtstag feiert. Schliesslich lässt Michael die Bombe platzen: Luise sei nicht etwa Rehstahls Freundin, sondern seine Tochter - und Geliebte dazu.

Die Thematisierung des Tabus Inzest erinnert an das Dogmadrama "Festen". Allerdings gelingt es "Scheherazade"' nicht, die Emotionen so tief aufzuwühlen wie das skandinavische Meisterwerk. Die Reaktionen der Beteiligten bleiben gelassen, einzig Michael und Valerie nehmen die Offenbarung überhaupt als Skandal wahr. Nach der Fanfare in der Mitte des Films vermag sich die Spannung nur in den letzten Minuten noch einmal zu steigern.

Ähnlich wie "Festen" schafft es der Film aber, mit bescheidenen Mitteln eine erstaunliche Vielseitigkeit zu erzeugen. Obwohl sich die Handlung ausschliesslich auf dem Boot abspielt, kreieren Regisseur Signorell und sein Kameramann Felix von Muralt eine ganze Palette verschiedener Schauplätze zwischen Heck, Bug, Ober- und Unterdeck. Während bei Tageslicht die Goldküste noch ein offenes Panorama bietet, verdichtet sich das Geschehen mit Einbruch der Nacht auf die klaustrophobische Enge der Schiffsräume und verbildlicht die Verdüsterung der Geschehnisse, bis schliesslich Michael in einer winzigen Kabine ohne Licht eingesperrt wird.

Eine ähnliche Diversität schaffen die jungen Filmemacher durch einen cleveren Umgang mit der Sprache ihrer Protagonisten. "Scheherazade" soll klar ein Schweizer Film sein, in dem auch Schweizerdeutsch gesprochen wird, aber nicht ausschliesslich. Mit der Engländerin Valerie und dem Deutschen Frank kommen zwei weitere Sprachen an Bord, die fortan in allen Färbungen der Akzente gesprochen werden. Auf diese Weise greift der Film über den engen Horizont der deutschen Schweiz hinaus, ohne deswegen anbiedernd zu wirken. Improvisierte Dialoge in der ersten Filmhälfte verleihen dem Schweizerdeutsch zudem die nötige Natürlichkeit.

Ohne die Hilfe staatlicher Fördermittel und in entsprechend engem finanziellem Rahmen steuern Signorell und seine Mannschaft das Schiff "Scheherazade" auf einen sehenswerten Kurs und erreichen ihr erklärtes Ziel, dem "neuen Schweizer Film" frischen Wind in die Segel zu blasen.

31.05.2021

3

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Kommentare

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tkunz

vor 22 Jahren

Schweizer Schrott


meisam

vor 23 Jahren

Super-Film trotz kleinem Budget, ist auf Zürisee


sirwilliams

vor 23 Jahren

Er erinnert so an die schweiz


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