Who Am I - Kein System ist sicher Deutschland 2014 – 105min.

Filmkritik

Hacker an Rande des Nervenzusammenbruchs

David Siems
Filmkritik: David Siems

Spannende Genre-Filme aus Deutschland sind grundsätzlich rar gesät, daher verdient dieser Film besondere Aufmerksamkeit. Tom Schilling, Wotan Wilke Möhring und Elyas M'Barek spielen hier eine Gruppe von Hackern, die ins Fadenkreuz der russischen Mafia geraten.

"Im echten Leben bin ich ein Niemand. Unsichtbar. Aber im Netz kann ich sein, wer ich will: Dein Freund, dein Feind, ein Superheld – und keiner weiß, wer ich wirklich bin." Benjamin (Tom Schilling) bringt auf den Punkt, dass er nur in der virtuellen Realität seine Lebenserfahrungen macht, die ihn mit Selbstbewusstsein ausstatten. Für die einen ist er ein blasser Computernerd, für die Protagonisten der internationalen Hacker-Szene ein echter Big Player.

In Max (Elyas M'Barek) und Stephan (Wotan Wilke Möhring) lernt er zwei Gleichgesinnte kennen, mit denen er gemeinsam die subversive Gruppe CLAY (Clowns laughing at you) gründet, die mit ihren virtuellen Guerilla-Aktionen umgehend für Aufsehen sorgt. Schon bald wird das Trio gejagt – nicht nur von der Polizei (in Gestalt der dänischen Schauspielerin Trine Dyrholm), sondern auch von der russischen Mafia, die sich mit gewohnter Brutalität ihren Weg bahnt. Um im Bild zu bleiben: Die Hacker-Jungs müssen schleunigst die Tastenkombination Strg+Alt+Entf zu ihren Gunsten gebrauchen, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Regisseur Baran bo Odar, der aus Olten stammt und mit seinem Thriller-Drama Das letzte Schweigen für Aufsehen sorgte, inszeniert hier mehr als nur eine stilistische Fingerübung. Vor der Kulisse Berlins streift er mit der Kamera durch schmutzige Nachtclubs, Bars und Häuser-Baracken, während der passend krawallige Elektro-Soundtrack vom Techno-Pionier Boys Noize kommt. Atmosphärisch verhandelt der Film dabei zwei Stimmungen: Zunächst der berauschende Komfort der virtuellen Anonymität, anschließend die beklemmende Paranoia der Protagonisten, die immer weiter kulminiert.

Who am I ist zwar gekonnt subversiv in seiner Bildsprache, erinnert aber auch stark an Filme von Hans Weingartner, etwa Die fetten Jahre sind vorbei oder Free Rainer, die sich ebenfalls die Frage stellten, ob und wie weit unsere Kapitalismus-getränkte Gesellschaft und die Menschen, die darin leben, längst hoffnungslos degeneriert sind.

Dank kniffliger Twists im Drehbuch, umweht der Film sogar ein Hauch von Fight Club, und das nicht nur, weil auch hier die ein oder andere Faust für Platzwunden sorgt. Spannend, paranoid, gar schweißtreibend – im Zeitalter von Snowden, CIA und banalem Datenklau von Promi-Nacktfotos bekommt dieser Thriller eine willkommene Aktualität und Dringlichkeit.





19.02.2024

4

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Kommentare

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Janissli

vor 7 Jahren

Super spannende und ausgeklügelte Geschichte mit unvorhersehbarem Ende! Speziell die Darstellung des "Dark Net" ist super gelungen.


Barbarum

vor 7 Jahren

Unverhohlen bedient sich "Who am I" bei den Meisterwerken "Fight Club" und "The Usual Suspects", ohne aber an diese heranzukommen. Wenngleich durchaus spannend und unterhaltsam, bleibt der Film eine etwas arg konstruiert wirkende Nachfolgeversion.


oscon

vor 9 Jahren

Spannender deutscher Thriller, der in der Hacker-Szene spielt. Ein unscheinbarer cyberbegabter Aussenseiter, schliesst sich einer Gruppe profilierungsgeiler Hacker an und gerät dabei ins Fadenkreuz der Cyber-Mafia!
Stylistisch umgesetzt mit einem sehenswerten deutschen Cast (Elyas M'Barek, Tom Schilling und Wotan Möhring) wirkt der Film zeitweise, wie ein (im Film beschriebener) Ritalin-Flash.
Die Geschichte verwirrt den Zuschauer bis zuletzt mit unglaublichen unvorhersehbaren Wendungen: Ist alles nur Schein oder doch Sein? Wohl einer der besten deutschen Filme!Mehr anzeigen


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