Gemini - Sôseiji Japan 1999 – 83min.

Filmkritik

Besuch vom bösen Zwilling

Filmkritik: Patrick Schneller

Im bizarren Thriller «Gemini» macht ein als Kleinkind ausgesetzter Mann seinem wohlhabenden Zwillingsbruder das Leben zur Hölle.

Yukio (Masahiro Mohoki, "Gonin") ist ein gefeierter Arzt, der sich seinen hervorragenden Ruf im Krieg erarbeitet hat. Seine Kunden stammen aus der Oberschicht. Bewohner der Slums meidet und verachtet er, da für ihn die Armenviertel Ursprung aller Krankheiten und Epidemien sind. Mit Rin (Ryo) hat er nun eine Frau geheiratet, die unter Gedächtnisverlust leidet und nicht einmal weiss, woher sie kommt. Und kaum hat er sie geheiratet, geschehen in Yukios Elternhaus – in dem er auch wohnt und arbeitet – mysteriöse Dinge.

Kurz nacheinander sterben sogar seine Eltern. Eines schönen Tages wird Yukio selbst in seinem Garten von einem Unbekannten attackiert, der ihm aufs Haar gleicht. Der Fremde stösst den Arzt in den versiegten, aber tiefen Brunnen des weitläufigen Anwesens und übernimmt Yukios Identität, was zuerst weder die Hausdiener noch Rin realisieren. Der Doppelgänger des gefangenen Yukio ist Sutekichi, sein Zwillingsbruder, den die Eltern nach der Geburt wegen eines grossen, Unheil versprechenden Muttermals aussetzten. Sutekichi verrät Yukio zudem, dass Rin aus den Slums stamme, seine Frau gewesen sei und eigentlich gar nicht unter Amnesie leide.

Mit "Gemini" kommt endlich der Film in unsere Kinos, der schon im Jahr 2000 am ersten Neuchâtel International Film Festival (NIFF) mit der Goldenen Narzisse ausgezeichnet wurde. Shinya Tsukamoto, der Regisseur der beiden "Tetsuo"-Filme, inszenierte den auf einem Roman basierenden Streifen 1999. Es ist sicherlich sein bisher untypischstes Werk, das im Gegensatz zu früheren Regiearbeiten sehr ruhig und meistens unspektakulär daherkommt.

Dafür ist die Sache ziemlich bizarr und erinnert zuweilen an Filme von Peter Greenaway, zumindest auf der Bildebene. Die einzelnen Szenen sind geradezu hypnotisch und entführen das Publikum in eine fast schon surreale Welt. Doch die Geschichte selbst bleibt durchwegs reichlich dünn und nicht immer nachvollziehbar, sodass "Gemini" insgesamt nicht ganz funktioniert und trotz seiner nur knapp 84 Minuten Laufzeit etwas langfädig geraten ist.

Für Freunde des japanischen Kinos sind zwei Nebenrollen besonders interessant: Tadanobu Asano, der die Hauptrolle in Takashi Miikes Hammer "Ichi the Killer" bekleidete und dem Schweizer Kinopublikum aus "Taboo – Gohatto" bekannt sein müsste, hat einen kurzen, aber entscheidenden Auftritt. Ebenso Renji Ishibashi, der schon in Tsukamotos "Tetsuo" dabei war und letztes Jahr in Takashi Miikes Remake von Kinji Fukasakus "Graveyard of Honor". Tsukamoto selbst ist übrigens auch öfter Schauspieler als Regisseur: So spielte auch er in «Ichi the Killer» - dem Film der 2002 Hauptpreis am NIFF erhielt.

03.09.2003

3

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Kommentare

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gwyrsch

vor 21 Jahren

Ich stimme mit der Kritik von Viktor über weite Strecken überein - bis auf die Wertung (von mir gibt's fünf Sterne) und auf die Behauptung, die Geschichte sei dünn und nicht immer nachvollziehbar (ist das nicht ein Widerspruch?)
Von allen Tsukamoto-Filmen ist dieser hier sicher der zugänglichste, und bei mehrmaligem Betrachten (ja, ich hab die DVD hier) auch der formal geschlossenste.
Es geht schliesslich um einen (?) Identitätsverlust; da gehört schon ein bisschen Verwirrung dazu - was hier allerdings nie zum Selbstzweck geschieht und auch konsequent zu Ende gedacht daherkommt.
Tsukamotos Stil wird von vielen als mühsam empfunden, weil der Mann nunmal einen gewissen Anspruch an sein Publikum stellt und nicht gleich alles auf einem Tablett serviert, sondern (vor allem auf der narrativen Ebene) halt gern so seine Spielchen treibt.
Aber auch wer erst mal verwirrt ist, kriegt einen vom Stil her einzigartigen und von der Stimmung her unvergesslichen Film zu sehen.
Wie gesagt, ich rede über den Film, nachdem ich ihn bereits mehrmals gesehen habe - und das ist kein Zufall. Ich entdecke jedesmal neue Aspekte, da "Gemeini" auf sehr vielen Ebenen lesbar ist. Ach ja, und der bulgarisch anmutende Soundtrack hat's mir auch angetan!

Insgesamt: Keine einfache Kost, aber für entdeckungsfreudige Filmfans der Geheimtip schlechthin.

Und zum Schluss der Aufruf: MEHR ASIATISCHES KINO IN UNSEREN SÄLEN!! Wer schliesst sich an?Mehr anzeigen


gwyrsch

vor 21 Jahren

tsukamato's stil ist einzigartig!


Gelöschter Nutzer

vor 21 Jahren

gruud


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