Iron Island Iran 2005 – 90min.

Filmkritik

Ausgesetzte Menschen: Gestrandet und versandet

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Eine Schar Gestrandeter hat auf einem maroden Tanker im Persischen Golf Zuflucht gefunden. Einer, der sich "Kapitän" nennen lässt, hat das Sagen und die Kontrolle. Die iranische Parabel über Ausgeliefertsein, Vertrauen und Hoffnung ist schlicht, aber vieldeutig und offen für verschiedene Lesearten.

Ein Schrotthaufen auf Wasser: Der gestrandete Tanker dümpelt vor einem Küstenstrich im Persischen Golf. Er ist zum Zufluchtsort geworden, zur Überlebensinsel. Eine Schar Gestrandeter hat sich darauf eingenistet. «Kapitän» Nemat (Ali Nassirian) sorgt mit strenger Hand dafür, dass die Gemeinschaft nicht aus dem Ruder läuft. Er hat Schulunterricht organisiert und sorgt für Verpflegung. Nemat beutet den Schrotthaufen aus und die Menschen wohl auch - ein bisschen. Nemat hat die Kontrolle, macht sich unentbehrlich, belohnt und straft. Er spielt sich als kleiner Gott auf und verschont auch den Knaben Ahmad (Hossein Farzi-Zadeh) nicht, den er mag, der aber aufbegehrt und das Schiff verlassen wollte. Nachsicht und Einsicht, scheint es, schwächen seine Autorität in diesem Mikrokosmos.

Doch die eiserne Insel ist leck. Was wird aus den Menschen? Wo können sie Land gewinnen? Anführer Nemat lässt die «eiserne Insel» räumen und verspricht Hoffnung. Die Gestrandeten stranden neu, in einem wüsten Landstrich, wo sie ein neue Heimstätte finden und ein Dorf aufbauen sollen.

Eine einfache Konstellation, die freilich verschiedene politische Lesearten zulässt. Die «Parabel vom guten Kapitän» deutet auf ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis. Der gütige (?) Tyrann Nemat verschachert den Schrottkahn und seine Anbefohlenen. Es wird nicht ganz klar, ob er sie der wüsten Welt aussetzt und nur falsche Hoffnungen weckt, oder ob der zwangsläufige Schritt ans Land als Zeichen für neuen Boden unter den Füssen interpretiert werden soll. Am Ende bleibt der Drang ans (ins) Meer, zur Freiheit, verkörpert in der Figur des Fischerjungen (Aref Zakeri). Dieses Schlussbild suggeriert Hoffnung, Befreiung - oder doch Untergang?

Mit poetischen Bildern durchsetzt, lässt sich sich «Iron Island» leicht auf Länder wie Iran, aber auch Palästina u.a. übertragen. Die Kunst der Zwischentöne und hintergründigen Wahrheiten wirkt nachhaltig, regt den Zuschauer an, hinter die Bilder zu blicken und sich ein eigenes Bild zu machen. Dazu bedarf es keiner lauten Töne, keiner aufwändigen Action und schon gar nicht einer gepowerten Dramatisierung. «Iron Island» ist eine Botschaft in Bildern, die für sich sprechen

05.01.2021

4

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Kommentare

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8martin

vor 9 Jahren

Ein gestrandeter Öltanker vor der Küste Irans ist Heimat für viele Menschen. Kapitän Nemat (Ali Nasirian) lenkt die Geschicke der kleinen Gemeinde. Mal freundlich hilfsbereit und verständnisvoll, aber wenn es sein muss auch mit gnadenloser Härte.
Diese geniale Grundidee des Films von Mohammad Rasoulof kann man durchaus als politische Parabel für ein arabisches Land (vielleicht den Iran?) verstehen: die Bewohner leben auf und von dem Wrack, indem sie es zerlegen und die Teile an Land verkaufen und im Tanker selbst gibt es Öl. Nur über einen rostigen Aufzug gibt es einen streng kontrollierten Zugang zur Außenwelt. Ehen werden nach Absprache der Väter geschlossen. Der junge Ahmad (Hossein Farzi-Zadeh) versucht es auf eigene Faust und wird fürchterlich bestraft. Alle schauen wortlos zu. Das Mädchen (Neda Pakdaman) wird vom Vater bis zur Hochzeit mit Gesichtsmaske eingesperrt. Er sagt ‘Sie ist meine Tochter. Wenn ich will, bringe ich sie um. ‘ Das Schiff soll geräumt werden, die Bewohner werfen mit Schuhen. Bei Auslandsfernsehen wird das Gerät ins Meer geworfen.
Der freundliche Diktator lockt sein ‘Volk‘ auf eine Pilgerfahrt und zeigt ihnen ihr neues Land, das er für sie gekauft hat. In der Wüste werden sie eine neue Stadt bauen. Die Geschichte wird so unpersönlich erzählt, dass eine Identifikation mit einer der Figuren nicht möglich ist. Sie dienen nur als Anschauungsobjekte.
Jeder kann sich seinen eigenen Reim auf diese Schilderung machen. Viele symbolträchtige Hinweise geben sicheres Geleit: am Anfang wird eine KMehr anzeigen


funday

vor 17 Jahren

genialer Film. kommt ohne grosse action aus, gefällt vor allem durch die unglaublichen details, die durchgehende spannung und das ungewisse ende


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