Devil's Knot USA 2013 – 114min.

Filmkritik

Vom Fluch der bösen Tat

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Ausgehend vom mysteriösen Kriminalfall "West Memphis Three" erzählt der kanadische Kultregisseur Atom Egoyan die Story eines wahrscheinlichen Justizirrtums nach dem Mord an drei achtjährigen Buben im stockkonservativen, bigotten Provinzmilieu im US-Bundesstaat Arkansas. Mit Stars wie Colin Firth und Reese Whiterspoon, doch ohne artistische Tiefenschärfe.

Im Fokus steht der private Ermittler Ronald Lax (Colin Firth), der nach der Verhaftung von drei Jugendlichen mit Affinitäten zur satanistischen Szene von deren Unschuld überzeugt ist und unentgeltlich für die Verteidigung arbeitet. Ohne Fortüne: In einem aufsehenerregenden Schwurgerichtsprozess werden die Jungs zu hohem Gefängnisstrafen und in einem Fall zum Tode verurteilt. Das Verdikt provoziert indessen sofort Proteste, weil von Beginn weg massive Zweifel an der Schuld der Jugendlichen bestehen. So wird beispielsweise unterstellt, dass die polizeiliche Fahndung nach einem dringend tatverdächtigen, unbekannten Farbigen verschlampt wurde, die Untersuchungen gegen den dringend tatverdächtigen Stiefvater eines der Opfer unterdrückt.

Thematisiert wurden diese Ereignisse im Buch "The Devil's Knot: The True Story" von Mara Leveritt (2002). Und auf diesem Stoff basiert das Drehbuch, was - salopp gesagt - fahrlässig scheint: 2011 wurden die verurteilten Männer nämlich nach 18 Jahren Haft auf freien Fuss gesetzt. Nicht zuletzt darum, weil in weiteren Büchern und mehreren hochgelobten Dokumentarfilmen der Fall immer wieder aufgerollt, analysiert und debattiert wurde. Darauf verweist Atom Egoyan zwar kurz vor dem Abspann mit Text- und Bildeinblendungen, was aber seltsam aufgepfropft, wie losgelöst von der erzählten Geschichte wirkt. Und so den Eindruck verstärkt, der einem den ganzen Film hindurch vermittelt wird: dass es sich bei The Devil's Knot um ein unfertiges, ja zwittriges Werk handelt - zuweilen wähnt man sich in einer knalligen TV-Gerichtssoap, dann wieder in einem überzeichneten Melodrama, dem leider die intellektuelle Magie des Lyrischen fast ganz abgeht, die einem bei Egoyan seit dem Meisterwerk The Sweet Hereafter fasziniert.

Daran ändern auch Schauspieler wie die Oscar-Gewinner Reese Whiterspoon (als Mutter eines der Opfer) und Colin Firth kaum etwas; ihren tragenden Rollen fehlt es an Tiefenschärfe und Entfaltungsspielraum und ihre Darbietung bleibt unter Niveau blutleer und wenig plausibel. Denn für einmal fehlt Atom Egoyan der filmische Esprit, der ihn sonst inspiriert, um das Publikum bildstark in die dunkelsten Abgründe der menschlichen Seele eintauchen zu lassen.

15.11.2013

2

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Kommentare

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8martin

vor einem Jahr

Niemand sollte sich diesen Film anschauen, der an der Aufklärung der Ermordung von drei achtjährigen Buben Interesse hat. Die Basis ist zwar eine wahre Begebenheit aus den 90 Jahren und spielt in einer Gegend, die vom Fundamentalismus dominiert wird. Atom Egoyan macht daraus eine Schlaftablette, die wegen der Widersprüchlichkeit der Aussagen bestenfalls Empörung hervorrufen kann, falls nicht schon zuvor der Tiefschlaf verlockender war. Ein chaotischer Wirbel von Vermutungen und deren Zurücknahme reduziert das Interesse am Plot zusehends. Ebenso ergeht es den Vorurteilen und hanebüchenen, fachlichen Fehlern beim Justizapparat. Zeugen lügen nicht aus Hinterhältigkeit, sondern aus Dummheit. Aussagen werden durch Drohungen verhindert, Geständnisse widerrufen. Und in diesem undurchdringlichen Dschungel aus Vermutungen und einer immer unklarer werdenden Gemengelage versucht Ermittler Ron Lax (Colin Firth) einen Durchblick zu erhalten. Ein Unterfangen, dass noch durch den völlig unmotivierten Auftritt seiner Ex Margaret (Amy Ryan) zusätzliche Verwirrung stiftet. In diesem Geschwurbel ist der Hinweis auf vermuteten Satanismus noch eine konkrete Option. Und die Anwendung eines Lügendetektors erfüllt den Tatbestand einer Schaufensterdekoration. In diesem Gerichtsthriller wird so ziemlich alles falsch gemacht, was falsch gemacht werden kann. Und dann wird dem Zuschauer quasi als Epilog noch eine Aussage um die Ohren gehauen, an der er wahrlich verzweifeln muss. Ermittler Lax gesteht Mrs. Hobbs – einer der trauernden Mütter am Ufer eines malerischen Flüsschens, dass er keine Lösung hat…
Da bleiben auch die nachgereichten Daten über abgesessene Jahre bzw. der Deal zwischen Delinquenten und der Justiz ein laues Lüftchen im Schatten der Wahrheit. Klar ist nur eins: die Verurteilten waren es bestimmt nicht.Mehr anzeigen


Janissli

vor 7 Jahren

Krasse Geschichte mit nachdenklichem Ende. Spannend!


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