Le Week-End Grossbritannien 2013 – 89min.

Filmkritik

Auf der Suche nach der Liebe

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Zum vierten Mal hat sich Filmemacher Roger Michell mit Drehbuchautor und Romancier Hanif Kureishi zusammengetan. Das Ergebnis: ein amüsanter und zugleich nachdenklich stimmender Kurzausflug nach Paris, der von einer eingerosteten Ehe erzählt.

Beide gehen auf die 60 zu, ihr letztes Kind ist seit kurzem aus dem Haus, und ihre Beziehung könnte wieder etwas frischen Wind vertragen. Aus diesem Grund reserviert Uni-Dozent Nick Burrows (Jim Broadbent) für sich und seine Frau Meg (Lindsay Duncan) ein Zimmer in einem kleinen Hotel in Paris, das sie vor 30 Jahren während ihrer Flitterwochen bewohnt haben. Was als entspannter Trip in die Seine-Metropole gedacht ist, entpuppt sich jedoch als chaotische Bestandsaufnahme ihrer Ehe. Zu allem Überfluss treffen die beiden auch noch auf Morgan (Jeff Goldblum), einen Freund aus Nicks Studienzeit, der sich mittlerweile zum Akademiker von Weltrang gemauster hat.

Paris, die Stadt der Liebe, als Projektionsfläche für eine in die Jahre gekommene Ehe: Was nach Klischees und billiger Rührseligkeit klingt, entfaltet sich dank eines pointierten Drehbuchs und einer umsichtigen Inszenierung als schonungslos ehrliche, oftmals skurrile Beziehungsgeschichte, die sich dem Geheimnis der Liebe anzunähern versucht.

Nach einem flotten und überaus komischen Auftakt beginnen die Protagonisten ihren Streifzug durch die französische Metropole, der sie immer wieder zu Diskussionen über den Zustand ihrer Ehe und ihre Zukunftsplanungen anregt. Unausgesprochene Dinge drängen plötzlich an die Oberfläche, intime Wünsche werden geäußert und kleine Geheimnisse gelüftet. Billige Wendungen und plakative Streitszenarien bleiben dabei allerdings außen vor. Vielmehr interessiert sich der Film für die alltäglichen Schwierigkeiten einer langjährigen Beziehung. Ironische Wortduelle, tiefsinnige Einsichten und melancholische Momente wechseln sich fortlaufend ab und verleihen dem Geschehen einen eigenwilligen Charme.

Auch wenn Michell nicht gänzlich auf Postkartenansichten verzichtet, bindet der Regisseur sie wohltuend beiläufig in den Handlungsfluss ein und vermeidet damit unnötige Ablenkungsmanöver. Im Mittelpunkt stehen eindeutig die beiden Hauptfiguren, denen Lindsay Duncan und Jim Broadbent ein glaubwürdiges und differenziertes Gesicht geben. Von Anfang an nimmt man ihnen die eingeschlafene Beziehung ab und spürt doch, dass sie nach all den Jahren immer noch starke Gefühle füreinander hegen. Komplettiert wird der positive Gesamteindruck durch Jeff Goldblum, der den keineswegs unwichtigen Part des überschwänglichen Intellektuellen geradezu lustvoll auskostet.

10.11.2020

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 9 Jahren

Eine Handlung lässt sich nicht wirklich erkennen, aber die Figuren dialogisieren auf authentisch wirkende Art und Weise über das Leben und Liebe und zum Schluss entfaltet der Film wie aus heiterem Himmel doch noch so etwas wie unwiderstehlichen Charme.


willhart

vor 10 Jahren

Feinfühlig und schonungslos diese Lebes (Liebes) Bilanzen. Wunderbares Wiedersehen mit Jeff Goldblum


8martin

vor 10 Jahren

Das ist eine ernsthafte Komödie. Die amüsanten Szenen überwiegen zwar, aber da ist viel Platz für Nachdenkenswertes.
Zwei hervorragend agierende Hauptdarsteller (der auch hier wieder überaus sympathische Jim Broadbent (Nick) und die durchaus ebenbürtige Lindsey Duncan (Meg)) verkörpern das Paar, das nach über 30 Ehejahren noch Paris der Liebe wegen reist.
Von Anfang an pendelt die Handlung, die Hanif Kureishi erdacht hat, zwischen handfestem Jux der Oldies: Zechprellerei, sexuellen Lüsten, Zurückweisung und Anziehung also durchgeknallte Touris und einer latent unter der gemeinsamen Oberfläche schlummernden Ehekrise hin und her. Von bemerkenswerten Großaufnahmen der Gesichter der beiden kann man das deutlich ablesen.
Sie lieben sich zwar immer noch, aber das hält sie nicht davon ab, auch mal kräftig auszuteilen. Als Nick mit ihr schlafen will sagt Meg ‘Da schau ich mir lieber den steifen Eifelturm an als dein krummes Wackelwürstchen. ‘ Sie macht auch verspätete Emanzipationsversuche. Doch seine Liebe fängt sie immer wieder ein.
Für Abwechslung ganz andere Art sorgt Nicks Studienfreund Morgan (Jeff Goldblum). Der nervt zwar mit seiner überbordenden Geschwätzigkeit, bringt Nick und Meg aber dazu, vor den versammelten Gästen eine Lebensbeichte abzulegen, die unter die Haut geht. Bekanntes aus der nostalgischen Mottenkiste lässt die beiden Spät-68er in einen hoffnungsvollen frohen letzten Lebensabschnitt tanzen. Fun for Best Agers!Mehr anzeigen


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