Killers of the Flower Moon USA 2023 – 206min.

Filmkritik

König Scorseses Rückkehr an die Spitze

Filmkritik: Kevin Pereira

«Killers of the Flower Moon» lief in diesem Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes ausser Konkurrenz – jetzt startet der mit Spannung erwartete Film regulär in den Kinos. Zum ersten Mal treffen in einem Film von Scorsese seine beiden Lieblingsschauspieler Leonardo DiCaprio und Robert De Niro aufeinander.

Oklahoma, 1920: Ein Stamm von Native Americans, die Osage, entdeckt, dass in ihrem Land eine reiche Ölreserve schlummert. Die Entdeckung bringt ihnen zwar sofort gewaltigen Reichtum ein, doch sie bringt auch viele Neider mit sich. William Hale ist einer von ihnen und sein Plan, die Indigenen auszunehmen, steht fest: Er will seinen Neffen Ernest Burkhart manipulieren und ihn mit der Einheimischen Mollie Kyle verheiraten.

Die Geschichte von «Killers of The Flower Moon» hat Martin Scorsese im Grunde genommen schon oft verfilmt: Es handelt sich um eine Variation des Rise and Fall, für den einige seiner Filme emblematisch sind: «Goodfellas», «Wie ein wilder Stier», «Casino». Aber auch wenn die Erzählmechanik wohlbekannt ist, erfährt sie bei «Killers of The Flower Moon» erhebliche Verzerrungen: Der Untergang ist hier nicht mehr ein Zeitpunkt des Aufstiegs, sondern der Aufstieg selbst. Anders als in seinen früheren Filmen weigert sich Martin Scorsese, den Höhepunkt des Aufstiegs darzustellen, den Moment vor dem Zusammenbruch, in dem seine Figuren regressiv in Müssiggang schwelgen.

In dieser Hinsicht ist «Killers of the Flower Moon» sicherlich das melancholischste Werk des Filmemachers – und vielleicht auch das pessimistischste. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, sich die Art und Weise anzusehen, wie der Filmemacher die Familie darstellt. Oft als Ort der Erlösung oder Versöhnung hochstilisiert, wird die Familienzelle hier von Anfang an genau umgekehrt gefilmt: als Ort der falschen Vertrautheit, aber der wahren Manipulation. Der Grundpfeiler der Familie hat seinen Glanz verloren.

Auch das erste Gespräch zwischen William Hale (Robert De Niro) und seinem Neffen zeigt, dass Scorsese die Familienbande mit einem enttäuschten Blick betrachtet. Als Ernest Bunhhart (Leonardo DiCaprio) seinen Onkel nach langen Jahren der Abwesenheit wiedertrifft, erlaubt sich dieser einen Gag, der seine reptilienhafte Niedertracht zum Ausdruck bringt: «Du kannst mich Onkel nennen oder du kannst mich König nennen». An dieser Stelle sei auf die Rückkehr von Robert De Niro zu alter Form hingewiesen, der hier seine beste Rolle seit sehr langer Zeit spielt.

Lily Gladstone beeindruckt mit ihrem Auftritt, der schon jetzt die Entdeckung des Jahres ist, und es wäre schön gewesen, wenn ihre Figur etwas mehr Raum in der Geschichte eingenommen hätte. Auf der anderen Seite ist DiCaprio mit seiner durchwachsenen Leistung zu bemängeln, dessen monolithische Darstellung grösstenteils auf einem versteinerten Gesicht beruht. Dieser kleine Vorbehalt, der letztlich kaum ins Gewicht fällt, sollte jedoch nicht das Wesentliche vergessen lassen: «Killers of The Flower Moon» ist ein riesiges Testament (in dieser Hinsicht rührt die Schlusssequenz zu Tränen), das in der Filmographie des Meisters einen besonderen Platz einnehmen wird – unbestreitbar.

18.10.2023

5

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Benji72

vor 10 Monaten

Grosses Kino eines grossen Filmemachers! Beeindruckende Bilder, grossartige Schauspieler und eine Story, bei der man sich teilweise schämt der „weissen Rasse“ anzugehören! Absolut sehenswert trotz monumentaler Lauflänge.


Hans

vor 11 Monaten

Laut Goethe soll es heissen: "Getretener Quark wird breit, nicht stark. "Dem ist im vorliegenden Fall nichts hinzuzufügen.


CineMani

vor einem Jahr

Keine Ahnung, warum man diese Story nicht in 90 Minuten erzählen kann? – Ein typisches Alterswerk halt, das aber immerhin auf Grossleinwand voll zur Geltung kommt.

Giorgio7

vor 11 Monaten

Keine Ahnung!! Ich denke, Sie haben die Romantik des Films und in welcher
Zeit sich der Film gespielt hat nicht verstanden.
In 90 Minuten kann man einen gewöhnlichen Krimi verpacken. Nicht aber einen Film von Scorsese!


Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Tschugger - Der lätscht Fall

Hölde - Die stillen Helden vom Säntis

Landesverräter