Trainspotting Grossbritannien 1996 – 73min.

Filmkritik

Drogenkonsum auf englisch

Filmkritik: Martin Glauser

Die Kollegen von der Abteilung Drogenprävention, die Erfinder und Drescher von Slogans wie "Just say no" oder "Choose life" dürften der Verfilmung von Irvine Welshs Kultbuch mit Besorgnis entgegengesehen und das Resultat mit Entsetzen zur Kenntnis genommen haben. Nicht nur, dass "Trainspotting" diese offiziellen Phrasen vielfach ironisiert, der Film erdreistet sich auch noch, die banale Tatsache zuzugeben, dass Drogenkonsum - bei allen unerwünschten Nebenwirkungen - eben auch ein Heidenspass ist.

Dass der Film selber einen Heidenspass macht, ist sein Verdienst und sein Skandal. "Trainspotting" ist eine Komödie, die ihren Witz - unkorrekterweise - auf Kosten von Leid und Elend etabliert. Aber welcher gute Witz ist schon korrekt? Der unleugbare Reiz von "Trainspotting" liegt tatsächlich in diesem Zusammentreffen von virtuosem Humor mit elegant verfremdetem Drogenhorror. Die Sucht, der Beschaffungsstress, die Qualen des Entzugs, Dreck, Krankheit, Gewalt und als negativer Höhepunkt ein durch die Schuld der Fixer umgekommener Säugling - das alles ist genauso präsent wie die enthusiastischen Highs, die geistreichen Dialoge, der Charme von Hauptdarsteller Ewan McGregor oder die irren Stadtläufe, untermalt von Iggy Pops unglaublich euphorisierendem "Lust for Life". Der Soundtrack trägt überhaupt viel zu den lustvollen Aspekten des Films bei: mit Iggy Pop, Brian Eno, Primal Scream, Pulp, Sleeper, Blur und Elastica eine Blütenlese der britischen Popmusik von den 70er-Jahren bis zur Gegenwart, und von Lou Reed bezeichnenderweise nicht etwa das nervenaufreibende "Heroine", sondern die Drogenhymne "Perfect Day".

Der Gefahr, die Junkie-Szene im Zerrspiegel des britischen Sozialrealismus vorzuführen, entgeht "Trainspotting" allein schon durch sein Tempo, durch die seltsamen Farbkompositionen und ungewöhnlichen Kamerawinkel, vor allem aber durch sparsam eingesetzte Surrealismen wie Mark Rentons vielzitierten Tauchgang in der "worst" toilet "of Scotland" - die zitierten Worte übrigens eine witzige Einblendung. Mit solchen Mitteln gelingt es Danny Boyle (Shallow Grave) und Irvine Welsh, der am Drehbuch mitgearbeitet hat, sich dem zu entziehen, was im Umgang mit sogenannt ernsten Themen gemeinhin gefordert wird: die Pose der Verantwortung, die ernste Miene, der Verzicht auf alle Verspieltheiten. Aber Kino ist nicht Schulfernsehen und keine Medienkonferenz für profilierungswillige Politiker. "Trainspotting" ignoriert glücklicherweise solche Restriktionen, ohne allerdings in platte Provokation oder in eine Heroisierung des Heroin-Glamour zu verfallen. Die Mutter aller Drogen wird nicht mystifiziert, sie wird aber eben auch nicht dämonisiert. Suchtgefährdend ist der Film deswegen nicht. In erster Linie bietet er auch den Alkohol-, Nikotin- und TV-Süchtigen zwei Stunden gehobene Kino-Unterhaltung. Allerdings: Scheisse, Kacke und Kotze - damit müssen Sie rechnen, und wenn Ihnen diese Formulierung schon zu zotig ist, sollten Sie sich den Film nicht antun.

10.11.2020

4

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Kommentare

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Janissli

vor 7 Jahren

War ziemlich geschockt über die sehr detailreichen Aufnahmen über die Drogensüchtigen. Anfangs wurde dieser Lebensstil fast verherrlicht dargestellt. Gute Geschichte welche die Schwierigkeiten eines Drogenentzugs ohne Einsicht des Süchtigen zeigt.


Deg89

vor 7 Jahren

Ein rauschhaftes Bild einer Konsumgesellschaft, die orientierungslos ins Nichts driftet. Die Dorgentrips werden in originellen, experimentellen Einstellungen gezeigt und verdeutlichen die Probleme der jeweiligen Figuren. Der Charakteraufbau ist dabei sehr vielschichtig ohne irgendwelche typischen Junkie-Klischees vorzuweisen.Mehr anzeigen


Movie_Maniac

vor 7 Jahren

Rabenschwarzer Drogen-Film der vor nichts zurückschreckt.
Des öfteren wird es derart eklig oder brutal, dass es schon wieder witzig und bewundernswert ist.
Auch wenn der Film stellenweise ein bisschen ein falsches Bild der Drogen-Szene abgibt, ist er dennoch absolut sehenswert.
7.5/10


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