Elegy oder die Kunst zu Lieben USA 2008 – 112min.

Filmkritik

Klagelied einer Kritikerin

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Aus dem gewohnt zynisch-derben Roman «Das sterbende Tier» des ewigen Nobelpreisanwärters Philip Roth wurde in der filmischen Adaption durch Isabel Coixet «Elegy» (Klagelied) - ein aalglattes Rührstück ohne Haltung, dessen markanteste «Eigenschaft» in der nackten Penelope Cruz besteht.

David Kepesh, kultivierter Literaturkritiker mit eigener Fernsehshow und ausgeklügeltem Eroberungsplan für frischgebackene (und damit sanktionsfrei verführbare) Ex-Studentinnen trifft auf Consuela, die zwar den Namen, nicht aber Intellekt und Aussehen einer alternden Reinigungskraft trägt. Nach dem Abspulen des üblichen "Du-bist-wie-einem-Goya-Gemälde-entstiegen"-Gewäschs kommt es auch hier zum förmlichen Vollzug in kühlblau gefilmter Loftigkeit.

Doch in dieser denkenden Kubanerin scheint der sonst so abgebrühte Kepesh seine Meisterin gefunden zu haben, sie lässt ihn nicht los und sich nicht einfangen. Verwunderlich ist dies für den Zuschauer nicht, hat man doch vorher schon wenig subtil die Leere des professoralen Seins zwischen unverbindlicher Daueraffäre mit einer Gleichaltrigen, zynischem Schlagabtausch im Freundeskreis (das einzige Highlight: Dennis Hopper in Roth- und Hochform) und den Dauerkonflikten mit seinem Sohn, «dem Weichei» vor Augen geführt bekommen. Also nimmt man hin, dass es Kepesh am Meer (wo sonst?) nicht schafft, diese verhängnisvolle Affäre zu beenden und zunehmend zum eifersüchtigen Teenager mutiert. Das muss man verstehen, schließlich hat Consuela - bzw. Penelope Cruz - die schönsten Brüste, die er je gesehen hat. Nun, bekommt wenigstens der männliche Heterosexuelle im Publikum etwas für sein Kinokartengeld.

Wenn allerdings ebenjene Brüste mit Krebs bestraft werden, weil die viel zu unabhängige Studentin den erstmals wirklich liebenden Professor zuvor verließ - dann steigen hoffentlich nicht nur weibliche Cineasten aus dem letzten Rest versuchter Empathie aus. Zu viel der Altherrenphantasie. Moment, wo kommt die eigentlich her? Schließlich setzt hier eine als überaus sensibel geltende Regisseurin den maskulinen Blick Roths um. Doch während es bei Roth um Obsession und Ekel, um Altern und die Angst davor, um das ewige zynismus-geschwängerte Pendeln zwischen Selbstmitleid und Selbstironie geht, letztlich um nichts weniger als das Leben selbst - scheint es Isabel Coixet vor allem um schöne Bilder zu gehen. Wie in einer Sheba-Werbung wird zu Klassikklängen durch Balkongitter gefilmt, behauptet ein melancholisch entsättigter Blaufilter Endlichkeit, ersetzen suggestiv gefilmte Blicke echte Tiefe.

Unfreiwillig peinlich wird so der Film, der etwas ganz großes hätte sein können: Der erste weibliche Blick auf unbekannte Zwischentöne eines urmaskulinen Stoffs, eine intellektuelle und ästhetische Herausforderung. Doch Coixet nimmt diese gar nicht erst an und erstarrt im bloßen Gemälde - das Klagelied singt der Zuschauerchor.

11.11.2008

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Kommentare

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luckystar1

vor 15 Jahren

Dieser Film hat mich überrascht. Excellent und feinfühlig gespielt.


Klaus1108

vor 15 Jahren

Anders als "die Redaktion" von cineman (ist das jeweils eine Einzelmeinung, die sich da äussert?) fand ich den Film absolut sehenswert!


timmy

vor 15 Jahren

Ein genialer Film, mit einer sehr sinnlichen Penelope und einem völlig abgefahrenen Dennis Hopper in einer sicher ungewöhnlichen Rolle, dazu das Gesicht von Sir Ben Kingsley, mir hat er sehr gefallen, denn was ist Liebe wirklich, darf man sich trauen?


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