Tyrannosaur Grossbritannien 2011 – 92min.
Filmkritik
Zerbrochene Leben
Tyrannosaur ist ein Blick tief hinein in die Seelen waidwunder Menschen. Paddy Considines Regiedebüt ist schmerzhaft anzusehen. Und das nicht nur, weil die Hauptfigur schon in den ersten Momenten ihren geliebten Hund tottritt.
Joseph (Peter Mullan) ist ein einsamer, jähzorniger, grober Mann, der Konflikten nicht ausweicht und seine Wut auch an jenen ablässt, die nichts dafür können. Nach einem erneuten Wutausbruch findet er sich im Second-Hand-Laden von Hannah (Olivia Colman) wieder. Obschon er unfreundlich ist, begegnet ihm die warmherzige, gottesfürchtige Frau mit Güte. Eine zarte Freundschaft entwickelt sich, wird jedoch auf eine harte Probe gestellt. Denn Hannah entflieht ihrem gewalttätigen Mann und kommt bei Joseph unter, der sich an seine eigene Ehe erinnert - und daran, was für ein Dreckskerl er eigentlich ist.
Sozialkritik will er nicht üben, so Considine in verschiedenen Interviews zu seinem Film. Hängt man Considines Lesart an, so präsentiert sich Tyrannosaur als kalte Bestandsaufnahme eines Englands, in dem Lethargie und Gleichgültigkeit vorherrschen, in dem die Hoffnung längst purer Verzweiflung gewichen ist, und der Weg unaufhaltsam in den Abgrund führt. Tyrannosaur wäre unerträglich, gäbe es nicht kurze Momente, in denen ein Licht die Dunkelheit erhellt.
Es sind die wirklich großen Schauspieler, die keiner Worte bedürfen, um eine Reaktion beim Zuschauer hervorzurufen. Was sich in Peter Mullans Gesicht ablesen lässt, ist das subtile Wechselspiel aus Gefährlichkeit und Verletzlichkeit. Wo seine Figur in jedem Moment einen Stimmungswechsel hat und für jeden in seiner Umgebung gefährlich werden kann, spielt Olivia Coleman ihre Rolle mit der Leidensfähigkeit einer Märtyrerin.
In all das Leid und den Schmerz mischt sich - ganz unscheinbar und fast nebensächlich - sogar eine Prise Humor. Als Joseph erklärt, warum er seine Frau Tyrannosaur genannt hat, ist das auf eine seltsam merkwürdige Art witzig. Bis man sich verdeutlicht, was er seiner verstorbenen Gattin damit eigentlich angetan hat. Joseph ist kein netter Mensch. Er sieht das Unglück kommen, das den Jungen aus seiner Nachbarschaft ereilen wird – und bleibt dennoch untätig. Joseph schreckt vor keinem Konflikt zurück, aber es ist Teil seines Weges zur Erlösung, dass er zu spät erkennt, welche Kämpfe es wert sind, auch ausgetragen zu werden.
Tyrannosaur ist eine Herausforderung. Der Film macht es niemandem leicht - weder sich selbst noch dem Publikum. In seiner schonungslosen Brutalität ist er nicht zurückhaltend, sondern geht dorthin, wo es weh tut. Kompromisslos, realistisch und mitreißend fordert Tyrannosaur mit aller Gewalt eine emotionale Reaktion. Eine Liebesgeschichte, so intensiv wie ein Schlag in den Magen.
Dein Film-Rating
Kommentare
Eine heftige Liebesgeschichte. Nichts aus dem Nicholas Sparks-Territorium und wohl auch deshalb ein umso besserer Film.
Liebesgeschichte, Drama, kaputte Existenzen, Top-Akteure - ein Film der unter die Haut geht und verstört.
Nichts für zartbesaitete Gemüter...
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung