Kuma Österreich 2012 – 93min.
Filmkritik
Türkische Tradition, westliche Gesellschaft
Eine türkische Familie in Wien: Der traditionell orientierten Elterngeneration stehen die westlich geprägten erwachsenen Kinder gegenüber. Der Einzug einer Kuma, einer Zweitfrau des Vaters, verschärft in Umut Dags Spielfilmdebüt die Spannungen.
Eine traditionelle türkische Heirat im ländlichen Anatolien: die vermeintliche Schwiegermutter der Braut ist sichtlich krank, scheint sich dennoch über die Hochzeit zu freuen. Ihre Tochter lässt aber kein gutes Haar an dem fröhlichen Fest, und die junge Braut Ayse trauert darüber, dass sie nun ihre Heimat verlassen muss.
Mit einem Schnitt und einer kurzen Schwarzblende versetzt der in Wien geborene türkische Kurde Umut Dag den Zuschauer von der Türkei nach Wien. Da offenbart sich rasch, dass die Verhältnisse ganz anders liegen: Ayse hat nicht den etwa gleich alten Hasan geheiratet, sondern auf Betreiben der krebskranken Mutter deren eigenen Gatten. Durch eine Zweitfrau, eine sogenannte Kuma, will sie Mann und Kinder nach ihrem Ableben versorgt wissen. Die grossteils erwachsenen Kinder akzeptieren aber die "zweite Mutter" zumindest zunächst nicht, doch dann passiert etwas Unerwartetes und die beiden im Zentrum stehenden Ehefrauen kommen sich langsam näher.
Blickt man zunächst entsetzt auf die Praxis der Zweitfrau, so gewinnt man zunehmend mehr Einblick in die soziale Funktion dieser Einrichtung in dieser traditionellen Familie. Dag zeigt anschaulich, wie das Leben von Tradition und Rollenbildern bestimmt ist, wie auch der Sohn Hasan sich nicht öffentlich zu seiner Identität bekennen kann oder wie die zweite einst zwangsverheiratete Tochter unter einer unglücklichen, von häuslicher Gewalt geprägten Ehe leidet.
Wie Dag niemanden verurteilt, die Traditionsverhaftung der Mutter ebenso wie die schwierige Situation der von der westlichen Kultur geprägten Generation der Kinder vorurteilsfrei schildert, ist die große Stärke dieses Spielfilmdebüts. Doch Kuma ist in diesem Blick auf türkische Lebenswelten – nur Türken bekommt man zu sehen, keine Österreicher treten auf - auch sehr schematisch. Weniger die überraschenden Handlungswendungen und starken dramatischen Effekte stören den Gesamteindruck, als vielmehr der Umstand, dass die einzelnen Szenen zu wenig ausgearbeitet sind. Statt auf einem Aspekt zu fokussieren und ihn auszuloten, setzt Dag auf stets neue Wendungen. Trotz authentischer Darsteller, türkischer Originalsprache und weitgehender Beschränkung auf die enge Wohnung der Familie als Schauplatz, entwickelt Kuma so nie wirklich atmosphärische Dichte, sondern bleibt ein etwas papierener Problemfilm.
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